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An Carl Ludwig von Knebel

Beyliegender Brief war schon vor einigen Tagen gesiegelt, ich sende ihn und füge hinzu, daß der Herzog nach Frankfurt ist. In einigen Tagen wird der Aufruf an die Freywilligwn erscheinen; wer sich schon [42] gemeldet hat, kann alsdann wohl warten, bis der Fürst zurückkommt, wo wir mehr vernehmen werden.

Sage Bergrath Voigt, daß mich ein Brief vom Geheimerath Leonhard aus Hanau benachrichtigt, daß er und seine Freunde nur an den allgemeinen Drangsalen gelitten, aber keine besonderen Leiden erfahren haben; das allgemeine Museum sowohl als die besonderen sind unberührt geblieben. Ich legte gern den umständlichen interessanten Brief bey, aber es stehen Dinge darin, die der vierte nicht wissen sollte.

Ich gehe in meinem Wesen so fort und suche zu erhalten, zu ordnen und zu begründen, im Gegensatz mit dem Lauf der Welt, und so suche ich auch noch außer dir Freunde der Wissenschaft und Kunst, die zu Hause bleiben, aufzufordern, daß sie das heilige Feuer, welches die nächste Generation so nöthig haben wird, und wäre es auch nur unter der Asche, er halten mögen.

Sage mir doch etwas Näheres von der Euklidischen Gemeinde! Sich von einander abzusondern ist die Eigenschaft der Deutschen; ich habe sie noch verbunden gesehen als im Haß gegen Napoleon. Ich will nur sehen was sie anfangen werden, wenn dieser über den Rhein gebannt ist.

Griesens Übersetzung der Zenobia ist in jedem Sinn vortrefflich. Wenn er fortfährt sich an den Calderon zu halten, so wird er uns eine große Wohlthat [43] erzeigen, sich selbst für mehrere Jahre Beschäftigung geben, und einen noch von niemand errreichten Ruhm erwerben, ich meine den, die beyden Übersetzungsweisen dem Original ganz treu und seiner Nation verständlich und behaglich zu seyn. Ich negoziire jetzt mit mir selbst wegen der Aufführung; ich kann niemand deshalb weder um Rath fragen, noch ein Zu-oder Abstimmen vernehmen; denn zuletzt, wenn es zur Ausführung kommt, trete ich doch die Kelter allein.

Der junge Schopenhauer hat sich mir als einen merkwürdiger und interessanter jungen Mann dargestellt; du wirst weniger Berührungspuncte mit ihm finden als ich, mußt ihn aber doch kennen lernen. Er ist mit einem gewissen scharfsinnigen Eigensinn beschäftigt ein Paroli und Sixleva in das Kartenspiel unserer neuen Philosophie zu bringen. Man muß abwarten, ob ihn die Herren vom Metier in ihrer Gilde passiren lassen; ich finde ihn geistreich und das Übrige lasse ich dahin gestellt.

In unserem nächsten Cirkel ist alles wohl, außerRiemer, der an einem bösen Hals und Brustbeschwerden leidet. Es ist mir sehr unangenehm ihn an der Marktecke so isolirt zu wissen, in einer Zeit, wo jedermann so bedrängt und beschäftigt ist, daß er im Innern zu thun hat.

Ziegesar bessert sich, hat aber unglaublich ausgestanden.

[44] Auf deine Frage wegen der beyden didaktischen Gedichte muß ich antworten, daß ich sie nicht gesehen habe. Dieses Genre ist Legion, besonders in England. Letzten Sommer habe ich mich daran in Töplitz müde und matt gelesen. Man bewundert den Verstand und die Tüchtigkeit, aber man vermißt die Poesie, von der nur das Sylbenmaaß, und die Tiefe der Betrachtung, von der nur das allgemein faßliche übrig bleibt. Und hiemit Gott befohlen! Wie sehr wünschte ich bald in Jena mein altes akademisches Leben wieder anzutreten.

W. d. 24. Nov. 1813.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1813. An Carl Ludwig von Knebel. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7A8A-2