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An Johann Heinrich Meyer

Ihr Brief, mein theuerster, mach mir große Freude, er kommt in einem Augenblick da Karl sich bessert. Durch sein Übel gingen mir vierzehn Tage aufs schmählichste verlohren und noch bin ich in einer Lage die nicht erfreulich ist; doch es bessert sich, das muß mir genug seyn, da ich zu fürchten hatte ihn in Wolzogens Nachbarschaft beyzusetzen.

Vielbedeutendes habe in der Nähe erlebt. Die großen Nachrichten des Verlustes erst, dann des Gewinnes trafen hier heftig. Der Nassauer einzelne Leiden und Sorgen theilte man mehrere Tage. Von Prinz Bernhards Wohlbefinden bey großer Gefahr wußte man früh genug. Und ich wünschte nur gleich meine Beruhigung so viele Meilen weiter. Erzherzog Carl sprach ich in Biebrich, traf daselbst manche alte Bekannte. Jetzt ist alles vorwärts und wir wären in Langeweile versuncken, wenn nicht der deutsche Merkur täglich Aufmercksamkeit erregte.

Lassen Sie Sich von August etwas über den Fund neugriechischer Balladen [so mögen sie genannt werden] sagen. Das ist das beste was mir in diesen Wochen vorgekommen. Sie sollen dem vergangenen Jahr hundert angehören. Dem Besten gleichreichend was mir in dieser Art haben.

[25] Übrigens sind Steine und Metalle das Geformteste was mir begegnet. Diese Lust und Liebe findet in aller Welt einige Befriedigung. Kunst, Wissenschaft und deren Verwandte spielen hier (das heißt in ziemlich weitem Kreise) eine sonderbare Rolle.

Einen guten Wein verspricht man sich dieses Jahr und das ist das liebste Gespräch mit dem man allgemeiner als mit dem Wetter durchkommt. Es ist aber auch keine Kleinigkeit. Das Rheingau ist werth viele Gedancken zu absorbiren.

Nun ist die Witterung wieder schön und die Beeren schwellen. Mein unterbrochnes Baden kann ich auch wieder anfangen.

Empfehlen Sie mich unsrer geliebten Hoheit aufs stillste und angelegentlichste. Ein zierliches Zeichen Ihres Andenckens verscheucht alle Mobilien um mich her. Ich habe es deshalb zugedeckt.

Frau v. Stein dancken Sie verbindlichst für das Andencken. Manchmal kommt es mir denn doch wunderbar vor daß ich meine Freunde und mich selbst hinter dem Thüringer Wald suchen muß, da man hier einer viertel Stunde Steigens nur bedarf um in die Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit zu sehen.

Lynckers Ankunft macht mir viel Freude, ich hoffe ihnen nützlich zu seyn. Von Franckf. habe manche Freunde schon hier gesehen. Diejenigen welche sich um neue Verfassung am wenigstens kümmern sind die glücklichsten.

[26] Und so fehlt es mir nicht an manchem Guten. Kommt Carl wieder auf die Beine: so wollen wir des Restes danckbar genießen.

Die Resultate der Wiel. Aucktion sind recht hübsch zeitgemäß. Dancke vielmals für mitgetheilte Schilderung.

Liebern behandeln und bedeuten Sie vorgeschlagnermaßen.

Den Aufsatz über Zeichenschulen werde auch mit Freuden verdancken. Es ist doch nicht schlimm zu sagen was man auch allenfalls unterlassen mag.

Von Ihrem Landaufenthalt habe mir nichts bessers geweissagt. Sie werden sehr wohl thun diesen Gedancken aufzugeben.

Die Leipziger sollen gelobt und glücklich gepriesen werden daß sie etwas Gutes auffinden.

Und nun will ich schließen. Das Beste wünschend, für alle Förderniß schönstes danckend. Wenn ich mich von dem Unfall erholt habe muß ich nun erst überlegen was zu thun sey? Ausdehnen werd ich mich nicht, das sehe ich schon. Tausend Lebewohl!

Wb. d. 5. Jul.

G.

1815.
Beyliegende Poetica bitte Riemern mitzutheilen.
[27]

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1815. An Johann Heinrich Meyer. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7A9E-5