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An Philipp Christoph Kayser

Wenn meine zutrauliche Hoffnung auf Sie hätte vermehrt werden können; so würde es durch Ihren letzten Brief geschehen seyn. Glück zu! daß Sie gleich an's Werck gehn und mir den ersten Ackt vorausschicken wollen. Immer ist es besser versuchen als viel reden, in den Grundsätzen sind wir einig, die Ausführung ist Sache des Genies und hängt noch überdies von Humor und Glück ab.

Da unsre kleine Theaterwelt sehr im Schwancken ist, kann ich nicht bestimmt sagen wie es mit der Aufführung werden wird und Ihre sorgfältige Nachfrage wegen der weiblichen Stimme, kann ich nicht beantworten. Nur so viel.

Als ich das Stück schrieb, hatte ich nicht allein den engen Weimarischen Horizont im Auge, sondern den ganzen Teutschen, der doch noch beschränckt genug ist.

Die drey Rollen wie sie stehen verlangen gute, nicht auserordentliche Schauspieler, eben so wollte ich daß Sie den Gesang bearbeiteten, für gute, nicht auserordentliche Sänger.

Diskant, Tenor und Baß, und was in dem natürlichen Umfang dieser Stimmen von einem Künstler zu erwarten ist, der ein glückliches Organ, einige Methode und Übung hat. Ich weis daß auch dies [68] bey uns schon rar ist und daß die Sangvögel sich nach reichlicherem Futter ins Ausland ziehen, das ich ihnen auch keinesweegs verdencke.

Folgen Sie übrigens Ihrem Herzen und Gemüthe. Gehen Sie der Poesie nach wie ein Waldwasser den Felsräumen, Ritzen, Vorsprüngen und Abfällen und machen die Caskade erst lebendig.

Dencken Sie Sich alles als Pantomime, als Handlung, eben als wenn Sie ohne Worte mehr thun müssten als Worte thun können.

Die Alten sagten: saltare comoediam. Hier soll eigentlich saltatio seyn. Eine anhaltend gefällige, melodische Bewegung von Schalckheit zu Leidenschafft von Leidenschafft zu Schalckheit.

Bange macht mir daß es für drey Personen beynahe zu viel Arbeit ist. Ich habe mich bemüht iedem Raum zum Ausruhen zu verschaffen, nehmen Sie darauf mit Bedacht.

Wenn Sie Sich bey ieder Scene die theatralische Handlung lebhafft dencken, werden Sie noch manches finden was mit Worten nicht ausgedruckt ist. So kann sich Scapine z.E. in der Scene wo sie für todt liegt ihre Stellung sehr erleichtern und zugleich die Situation komischer machen wenn sie sich manchmal hinter dem Rücken des Alten aufhebt, ihn ausspottet, ihrem Manne zuwinckt daß er ia den Handel nicht zu wohlfeil schliesen solle. Wie der Alte Mine macht umzukehren fällt sie zurück. Wenn dieses in die [69] Musick eingepasst wird und die Instrumente auch Scapinens Gebärden begleiten, so entsteht ein Terzett das viele Reitze haben kann.

Leben Sie wohl und erfreuen mich balde. Ich gehe ins Carlsbad. Bis Ende Juli bin ich dort zu finden, vor Ende August komme ich schweerlich nach Hause.

Die litiganti sind noch nicht da, es verdriest mich sehr. Den Re Theodoro haben wir, er ist über allen Ausdruck schön.

Weimar d. 20. Jun. 1785.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1785. An Philipp Christoph Kayser. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7AEF-2