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An Johann Gottfried Herder
Venedig d. 15. April 1790.
Hier schick' ich ein Blatt Epigramme, die von meinem Dasein zeugen mögen; übrigens hab' ich nicht viel zu sagen. Ich studire die venetianische Malerschule [199] von vorne herein fleißig durch und habe daran viele Freude; auch präsentiren sich mir allerlei Resultate und Bemerkungen, wo nicht ganz neue, doch von neuen Seiten. Ich bitte Euch, die Freunde vielmals zu grüßen und die Epigramme ihnen mitzutheilen. Dem Herzog hab' ich eins besonders geschickt; das laßt Euch auch zeigen. Der Herzogin ist den 10. dieses von Neapel hinweg, und will zu Ende des Monats hier sein. Ich werde bis zu dieser Zeit meiner Erlösung aus diesem Stein- und Wasserneste noch mancherlei Unterhaltung finden. Indessen verlang' ich sehr nach Hause. Noch hab' ich keine Briefe weder von Euch noch von sonst jemand. Ich habe wieder nach Augsburg geschrieben, wo sie wohl liegen geblieben sind. Von Angelika hab' ich einen Brief; sie ist gar freundlich und gut, wie immer. Reichardt trägt ihr seine Opera vor und macht ihr viel Freude. Lebt wohl. Grüßt alles. Augustens gedenke ich bei gar manchen Gelegenheiten; grüßt ihn. Leider ist kein Schauspiel vor Himmelfahrt. Das Wetter ist leidlich. Die wenigen Bäume, die hier in den Klostergärten stehn, sind noch gar nicht grün. Lebt wohl, und gedenkt mein.
G.