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An Johann Gottfried Herder

[14. Oktober.]

Ê polla brotois estin idousi

gnônai prin idein d', oudeis mantis

tôn mellontôn ho, ti praxei.

Über diesen Text mein Bester mögt ich viel verhandeln, aber es ist noch zu früh, und ich sende nur[31] ein Blätchen wieder zum Lebenszeichen und zur Versichrung daß mirs wohl und nach Wünschen geht. Ich verlange nicht daß alles Genuß sey, ich suche nur alles zu nützen und das geräth mir. An der Iphigenie hab ich noch zu thun. Sie neigt sich auch zur völligen Crystallisation. Der vierte Ackt wird fast ganz neu. Die Stellen die am fertigsten waren plagen mich am meisten. ich mögte ihr zartes Haupt unter daß Joch des Verses beugen ohne ihnen das Gnick zu brechen. Doch ists sonderbar daß mit dem Sylbenmas sich auch meist ein beßerer Ausdruck verbindet.

Die Stunden des Wegs, des Wartens bring ich mit dieser Arbeit angenehm zu. Sonst hab ich viel zu sehn und zu lernen. Gott sey Danck vorbereitet bin ich genug- und möcht es doch noch mehr seyn. In wieviel Dinge man doch recht kindisch pfuscht, ohne einen Begriff davon zu haben.

So lange hab ich nun von niemand ein Wort gehört der mir lieb wäre. Ich übe meinen Rathegeist wie es euch gehn mögte.

Die Frau ist recht herzlich von mir gegrüßt, und die Kinder. Wenn man nur seine Leute zur rechten Stunde immer herbeyhohlen könnte, ich hätte manches zu theilen, manchmal verdrießts mich daß ich so allein bin und manchmal seh ich denn doch daß es nothwendig war.

Dabey lern ich denn auch, alles wohl berechnet, daß es nicht gut ist daß der Mensch allein sey, und[32] sehne mich recht herzlich zu den meinigen. Die Fremde hat ein fremdes Leben und wir können es uns nicht zu eigen machen, wenn es uns gleich als Gästen gefällt.

Lebt wohl und bleibt mir. Bald laß ich wieder von mir hören. Grüßt Gusteln.

Ich habe das schönste Wetter, ich fürchte ihr habt es nicht. Die Zeitungen sagen mir in Böhmen hab es geschneit. Was wirds bey euch seyn. Lebt wohl.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1786 [2]. An Johann Gottfried Herder. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7B72-E