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An Adolf Friedrich Carl Streckfuß

[Concept.]

In der Überzeugung, daß Ew. Hochwohlgeboren das neue Werk unseres Freundes vor allen anderen Lesern genießen und schätzen würden, übersendete ich den ersten Band. Es ist gewiß eine merkwürdige originale Production; der Verfasser hat seine ganze Jugendliebe an der Localität nachempfunden und diese mir auch wieder vorgeführt; die Persönlichkeiten sind wahr und deshalb einzig hervortretend; auch die Fabel ist sehr glücklich. Was brauch ich deshalb mehr zu sagen, da Sie das alles selbst vollkommen wissen.

Daß Ihre Geschäfte Sie abhalten, eine Übersetzung zu unternehmen, die wie mit Liebe, so mit Fassung gearbeitet werden müßte, sehe ich wohl ein. Haben Sie einen jungen Mann gefunden, dem Sie die Arbeit anvertrauen und freundliche Anleitung gönnen mögen, so ist es sehr schön. Man könnte sich hiezu des dortigen Exemplars bedienen; sobald ich diesen Band zurückerhalte, sende den zweyten, welcher gleich verdienstlich ist; doch gegen das Ende desselben macht sich eine Bemerkung nöthig, welche noch bedeutender für den dritten gilt. Hier muß der Übersetzer zum Redacteur werden und ein freylich schon bedenklicheres Geschäft übernehmen.

[18] Wir kennen schon aus den seinen Trauerspielen beygefügten Abhandlungen die historische Tendenz des Dichters; diese wird im Laufe des Romans immer sichtbarer, und im dritten Theile hat den werthen Mann der Stoff so überwältigt, daß er dadurch ganz formlos wird und uns die Freude an seiner Arbeit verdirbt. Darüber mehr, sobald es nöthig wird; doch ist es gut, vorläufig davon unterrichtet zu seyn.

Weimar den 14. August 1827.

Die Übersetzung des Adelchi hat uns bey freundschaftlichen Abendunterhaltungen viel Freude gemacht; es ist sehr angenehm auch in der Muttersprache zu vernehmen, wie ein so zartes Gemüth sich in einem heroischen Kreise bewegt und Situationen aufspürt die so wahr als kräftig sind. Das für den Autor bestimmte Exemplar ist dieser Tage mit der Frommannischen Ausgabe nach Mailand abgegangen.

Übrigens wehren sich über den Alpen wie über dem Rhein die jungen Talente gegen den Classicismus. Ich erhalte besonders von Süden die wunderlichsten Productionen, die ich nicht mittheilen mag, weil sie unerfreulich sind. Es ist wie bey uns Deutschen immer das willkürliche Subject, das sich gegen Object und Gesetz wehrt und sich einbildet, dadurch etwas zu werden und wohin zu gelangen. Die Franzosen machen es schon besser, denn ihre praktische Natur treibt sie immer wieder in's Wirkliche; und wenn sie auch das [19] Gesetz nicht anerkennen, so halten sie doch auf Regel und damit kommen sie weit. Verzeihung dieser Interjection, welche eigentlich eines großen Commentars bedürfte.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1827. An Adolf Friedrich Carl Streckfuß. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7BE0-7