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An Joseph von Auersperg

[Concept.]
Hochgeborner Graf,
pp.

Wäre man nicht eine lange Reihe von Jahren her, durch Forderungen geselliger Schicklichkeit, gewöhnt seine innersten Empfindungen, sowohl freudige als schmerzliche, in der Gegenwart zu verbergen, so würden Ew. Excellenz in manchem Augenblick meines glücklichen Verweilens in Ihrer Nähe, vorzüglich aber bey'm Abschied, den Ausdruck einer gerührten dankbaren Anhänglichkeit gewahrt haben.

Dieß sey nun also von fern herausgesprochen, nicht als überdacht und nachempfunden, sondern als ein gleich alsobald Entschiedenes.

Wenn man mit gutem Grund der Jugend zu rathen hat: daß sie sich hüte, Freundschaften allzuschnell einzugehen, so wird dem Alter, zum Ersatz für manches Entbehren, die Gunst, daß Gefühl und Urtheil schneller zusammen treten und man wohl unmittelbar billigen darf, was man empfindet.

Überzeugen sich Ew. Excellenz daher, daß mir das Glück, Sie kennen zu lernen, als eine große Gabe des Augenblicks höchst schätzbar ist; und wenn auch der Wunsch, mit einem so würdigen Freunde längere Jahre verlebt zu haben, nothwendig aufkeimen muß, so bleibt doch eine spätere Gewährung immer, wie der [112] Sonnenblick am Abend, mit gerührtem Dank anzuerkennen. Sahen wir so manche Treffliche vor uns hingehen; so ist es ein herzerhebender Gedanke; daß wir deren, zum Besten der Welt, auch hinter uns zurück lassen.

Möge Ew. Excellenz die mir zugewandten günstigen Gesinnungen fernerhin bewahren und, wohin auch höhere Bestimmung Sie rufe, meiner im Guten gedenken. Daß ein fröhliches Wiedersehen und Zusammentreffen von nun an unter meine liebsten Wünsche zu rechnen sey, ist eine natürliche Folge. Diesen treu ausgesprochenen Gesinnungen günstige Erwiderung wünschend, unterzeichne mich verehrungsvoll.

Jena den 26. September 1821.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1821. An Joseph von Auersperg. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7C1B-E