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An August von Goethe

Donnerstag den 26. Juni 1823.

Weggefahren nach acht Uhr mit meinem Sohn von Jena wo ich einen Augenblick im botanischen Garten abgetreten war; um in Kahla.


Freytag den 27. ejd.

Um 6 Uhr kamen die Meinigen; von Kahla halb 9. Uhr abgefahren, es regnete stark; mein Sohn fuhr etwas früher wieder retour. Heiterte sich nach und nach wieder auf. Gegen 10 Uhr in Naschhausen, einige Augenblicke verweilt. Halb 1 Uhr in Pößneck. Hofrath Rehbein und Rath Haage kamen Abends halb 6 Uhr daselbst an. Einige an meiner Biographie vom Jahr 1822 schematisirt. Blieben zusammen im Gasthof.


Sonnabend den 28. ejd.

Um 6 Uhr ab von Pößneck. Rehbein und Haage eine Stunde früher. Zwischen Pößneck und Volkmannsdorf brach die Wage, welche jedoch sogleich durch eine junge Tanne ersetzt wurde. Es regnete fortwährend. [106] 11 Uhr in Schleiz. Rehbein und Haage eine Stunde früher eingetroffen. Wurde Mittag gehalten. Halb 5 Uhr in Gfell; sehr starker Regen. Ich ließ mir einige Eier sieden. Abends 7 Uhr in Hof. Es heiterte sich auf. Wohnte in der Post.


Sonntag den 29. ejd.

6 Uhr ab von Hof. Hofrath Rehbein und Rath Haage waren eine halbe Stunde früher abgefahren. Wetter leidlich, starker Südwest. Rehau gegen 9 Uhr, wurden einige Augenblicke verweilt. Auf der Höhe vor dem Rehauer Wald zeigten sich vorzüglich schöne Cumulus, 10 Uhr. Asch zwölf Uhr; begrüßte mich der Postmeister Langheinrich sehr freundlich. Wurde mir ein Gedicht gereicht von einem hiesigen Naturdichter, einem Mautbeamten, einem gar guten Manne von etwa 58 Jahren, den ich lange sprach und ihn durch mancherlei freundlich belehrende Worte erfreute. Hofrath Rehbein fuhr eine halbe Stunde früher ab, um Franzenbrunnen zu besuchen. Halb 3 Uhr ab von Asch. Sehr schönes Wetter. Nach 5 Uhr in Franzenbrunnen; einige Augenblicke gehalten. Um 6 Uhr Abends in Eger. In der Sonne logirt. Polizey-Rath Grüner besuchte mich sogleich. Die Luft hatte sich in reinen West gestellt.


Montag den 30. Juni.

Rath Grüner hat seit einem Jahre die wundervollsten Schritte in der Mineralogie gethan; das Lenzische [107] Compendium, das ich ihm schickte, hat er zum Grund gelegt und seine Sammlung, die schon sehr angewachsen ist, darnach geordnet. Auch andere Compendien hat er zur Vergleichung herbeygezogen; er übt sich in den äußeren Kennzeichen, welche durch die Augen zu erkennen sind, fügt hinzu Getast, Geruch und sonstiges Gefühl; hiermit nicht zufrieden bedient er sich der Reagentien, des Löthrohrs u.s.w. genug er hat die Sache so angegriffen wie ein tüchtiger Geschäftsmann, dem ein neues Fach anvertraut würde. Zugleich ist er unermüdet im Bergbesteigen und hat herrliche Sachen gefunden; Andalusiten so schön als die Thyroler crystallisiert und in Masse, Menilithe u.w.s. Von jedem schafft er viele Exemplare zusammen und fing schon an zu tauschen; die wohlverpackten Exemplare sendet er mit den Franzenbrunnener Krugfuhren, der Freund erhält sie frachtfrey und ist also verpflichtet, die Gegengabe auf gleiche Weise zu übersenden. Dabey hat er sich eine Tabelle der Fundorte gemacht und betrachtet die Badegäste als solche Freunde, die von den bezeichneten Orten ihm Gegenstände liefern, die ihnen vor der Thüre liegen. Man muß recht wissen, was zu einem Geschäft gehört, um es in kurzer Zeit auf diesen Grad zu bringen. Seine Leidenschaft für die Sache wird durch Bemühung und Gelingen nur noch mehr erhöht.

Der junge Fikentscher sprach bey mir ein im Vorbeygehen, da er seinen Vater in Marienbad abzuholen [108] gedenkt. Er fährt fort in fabrikmäßiger Thätigkeit und läßt dabey nicht ab, seine Naturstudien zu erweitern. Er nahm viel Theil an dem, was wir für Witterungskunde thun, und hat mir einigen Beystand und Aufschlüsse versprochen.


Eger den 1. Juli 1823

Da ich keine rechte Gewißheit wegen des Quartiers erhalten konnte, so hab ich Stadelmann mit der Equipage und Effecten nach Marienbad geschickt, damit er dort alles einleite, ordne und mich des unerfreulichen ersten Ankommens überhebe. Morgen fahr ich nach und trete ruhig und beruhigt ein. Gestern Abend fuhr ich mit Grünen gegen die bayerische Gränze, wo es mir in der freyen Luft bey unterhaltender Gegend gar wohl ward. Es schien, als wenn es mir unter'm 50. Grade wieder vaterländisch werden wollte. Möge es weiter so fort gehen und ich von euch allen vernehmen, daß es euch im gewöhnlichen Lebensgange leidlich behagt.

Nächstens das Weitere.

G.


Nun füge ich hinzu, daß dein Wunsch erfüllt werden kann; man hat mir eine Glasfabrik gerühmt, wel che alle Art von Glasgefäßen nach dem Muster ganz vortrefflich arbeitet. Schicke mit deshalb allsogleich die Muster unseres Bedürfnisses, wie sie bey den Acten sind und ich leider mitzunehmen vergessen[109] habe; sende sie mit der reitenden Post, adressirt an Herrn Rath Grüner.


Eger den 2. Juli 1823.

Der Kutscher kommt eben zurück und bringt mir Beykommendes von Stadelmann, es ist gerade das Quartier das ich gewünscht habe und so wollen wir denn mit diesem Anfang zufrieden seyn. Der Kutscher hat sich sehr gut gehalten, schenk ihm noch eine Kleinigkeit, die er wohl verdient. Der Herr kriegt einen Conventions-Thaler über den Accord, wir haben den Wagen einen Tag länger behalten.

Gestern besuchte mich Burgemeister Fickentscher von Redwitz, welcher gerade mit meinen Übeln behaftet dahin ging und zufrieden zurückkehrt. Sogar ein offener Schaden am Fuße ward geheilt. Und so will ich denn mit besserem Muthe vorwärts, umsomehr als ich mich ungleich besser befinde.

Heute Mittag geh ich ab mit einer leichten Chaise, der Weg dorthin, hör ich, ist gut das Wetter läßt sich leidlich an. Überhaupt betrachte nur das Barometer weiter fleißig, so kannst du ungefähr wissen, wie es bey uns aussieht. Nun lebe wohl, grüße Frauen und Kinder und laß mich bald einiges vernehmen.

G. [110]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1823. An August von Goethe. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7C3E-D