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An Christian Gottfried Daniel Neesvon Esenbeck

Ew. Hochwohlgeboren

sollten diesen Brief eigentlich eine gute Zeit früher erhalten; denn ein werther Anverwandter Herr Dr.[77] Christian Schlosser, welcher sich gegenwärtig wohl schon einige Zeit in Bonn aufhält, verlangte daß ich ihn bey Ihnen einführen sollte. Dieses Vertrauen empfand ich zwar sehr schmeichelhaft, allein da ich Ihre und unserer Freunde zu Bonn eigene gute Weise gar wohl zu kennen glaube daß Sie einen jeden nach Gebühr und Würden aufzunehmen und wohl zu behandeln wissen; so ließ ich dieß meinem Zaudern bey ohnehin überhäuften Geschäften zur Entschuldigung dienen und es wird Herrn Dr. Schlosser gewiß Zufriedenheit geben, dasjenige sich selbst ganz schuldig zu seyn, was er sonst Ihrem Wohlwollen gegen mich zum Theil verdankt hätte.

Und so will ich denn auch meinen schönsten Dank sagen daß Sie mir von Ihrem heiligen Christ, in Familienverbundenheit, eine so anmuthige Beschreibung zukommen lassen. Um die Mannichfaltigkeit und Möglichkeit einer solchen Gesammtfreude mir zu vergegenwärtigen diente der Riß von dem Schloß Poppelsdorf, den Sie mir früher mitgetheilt und woraus wirklich gleichsam ein Labyrinth eines geistlichen Hofes uns entgegen tritt. Höchst erfreulich zugleich ist die Einigkeit so vieler Familien unter eines Daches Gezelt; der gewöhnliche Menschenkenner hätte sich nicht unterstanden, sie so nah beysammen zu quartieren.

Auf Browns Werke und was Sie über ihn zu sagen sich entschließen bin ich höchst verlangend; ich [78] wünsche mir wirklich mit Ungeduld einen deutlichen Begriff von dem vorzüglichen Manne.

Die Angelegenheit der neuen Bühne zu Aachen darf ich mir selbst nicht vorlegen, weil ich eine abschlägliche Antwort fürchte. Der Muse jedoch will ich etwas davon merken lassen und wenn sie noch zeitig genug ihre Geneigtheit spüren läßt, so soll es mir höchst angenehm seyn auch dadurch eine Communications-Linie bis in jene schönen merkwürdigen Gegenden gezogen zu sehen.

Der Gedanke unserer Cölner Freunde, die Abenteuer des Don Quixote zur Fastnachts-Lust vorzuführen, scheint mir sehr glücklich; die Fabel mit allen ihren Figuren ist alt und allbekannt, doch in der neuen Zeit gewissermaßen verschollen und durch die Schwindeleyen des Tags in Schatten gesetzt, so daß das Ganze wieder neu seyn wird; wobey zu berechnen ist, daß die Gestalten lebendig hervortretend auf eine entschiedene Weise der Einbildungskraft für alle Zeiten zu Hülfe kommen. Lassen Sie mich an dem Ferneren Theil nehmen.

Und so möge denn [dieses] für heute mit den besten Empfehlungen an alle die Werthen in Bonn abgehen und zu guter Stunde dort anlagen; worauf denn Herr Dr. Schlosser gleichfalls auf's allerschönste zu grüßen wäre.

treulich

Weimar den [10.] Jenner 1825.

J. W. v. Goethe. [79]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1825. An Christian Gottfried Daniel Neesvon Esenbeck. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7C57-4