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An Berthold Georg Niebuhr

Ew. Wohlgeboren

haben durch Ihr gefälliges Schreiben mir ein großes Vergnügen gemach, und mich aus einer peinlichen Ungewißheit gerissen. Es war über Ihre Sendung und besonders auch über Ihre Abreise so mancherley Rede, daß ich beynahe befürchten mußte, Sie seyen schon über die Alpen und ich würde das erwünschte[345] Glück nicht genießen, Ihre persönliche Bekanntschaft zu machen, und ein lebhafteres Verhältniß für die Zukunft anzuknüpfen. Nun aber vermelde ich mit desto mehr Zufriedenheit, daß Dieselben mich bis zu Johanni entweder hier oder in Jena treffen werden, welches mir die angenehmste Aussicht giebt. Ich bereite mich indessen mit meinem Freunde Meyer, welcher sich zum allerbesten empfiehlt, Sie um manches zu ersuchen, Sie auf manche strittige Puncte aufmerksam zu machen und um gefällige Beachtung derselben zu bitten, damit auch wir unmittelbar theilhaft werden der gewiß herrlichen Wirkung Ihres Aufenthaltes in Italien. Auch kann nichts erwünschter seyn, als wenn Sie in der Folge uns von dorther mit Nachrichten und gefälligen Sendungen erfreuen wollen, dagegen wir ja wohl auch mit nördlichen Erzeugnissen gelegentlich aufwarten.

Den Julius Fronto kenne ich aus dem Eichstädtischen Programme und bin mit Ew. Wohlgeb. völlig der Meinung, daß es ein unschätzbares Document sey, wie ein jedes Bedeutende was irgend eine Stelle in der Kunstgeschichte einnimmt. Wenn ich denke, daß man von den frühesten Zeiten her bis auf die neusten eine Reihe geprägten Metalls zusammenlegen kann, wovon jedes seine Zeit und sein Land ausspricht, so wird man einen jeden Kupferpfennig zu schätzen wissen.

Das wichtige Werk des Quatremèe de Quincy, das den Olympischen Jupiter an der Stirne führt, wird [346] Ew. Wohlgeb. auch zu Handen gekommen seyn. Die Weimarischen Kunstfreunde haben sich auch seit vielen Jahren zu solchen Restaurationen bemüht. Der Thron des Amykläischen Apolls, die Ruh des Myrons, der Rogus des Hephästion, der Leichenwagen Alexanders, die Gemälde des Philostrats, und was sonst nicht alles, hat unsere Thätigkeit erregt und viele Vor- und Halbarbeiter liegen da. Desto angenehmer ist es nun, die Bemühungen der Franzosen zu beachten und zu beurtheilen und wieder neue Anregung auf dieser Bahn zu erleben.

Ew. Wohlgeb. Aufenthalt in Italien verspricht uns eine schöne Jahrszeit für alles was für Kunst und Wissenschaft erfreulich ist. Sie werden, mit entschiedener Einsicht, dasjenige in voller Maaße genießen, woran wir andern uns nur, als mehr oder weniger zweifelhaften Mustern, mit peinlichem Vergnügen zu bilden suchten.

Übrigens wünschen wir nichts mehr als Ihnen, in der schönen Jahreszeit, was unsere Gegend an Natur und Kunst Günstiges besitzt, vorzuzeigen, und eine geneigte Rückerinnerung bey Ihnen zu erregen.

Der ich mit empfundenster Hochachtung mich zu unterzeichnen die Ehre habe

ergebenst

Weimar den 27. Apr. 1816.

Goethe. [347]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1816. An Berthold Georg Niebuhr. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7C5E-5