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An Dorothea von Knabenau

Carlsbad d. 19. August 1808.

Wenn Sie wissen könnten, schöne Freundinn, wie ergötzlich es ist von Ihnen angeblickt zu werden: denn das kann Ihnen der Spiegel doch nicht sagen; so würden Sie sich selbst erfreuen über die Wirkung die Ihr Bote auf dem Carlsbader Markte hervorgebracht, nachdem seit einiger Zeit von der Apotheke bis zu den drey Mohren, ja bis zum Maltheserkreuz nichts als Klagen erschallen wollten.

Ihr schönes Couvert mit weißen Rosen durch und durchgestempelt versprach mir den erfreulichsten Inhalt. Den fand ich auch aber nicht ohne Dornen. Denn [154] der Gedanke an eine so herrliche Einladung sticht und peinigt mich schon seit dem Empfang Ihres köstlichen Briefes, und zwar dergestalt, daß ich lieber vergessen hätte ihn erhalten zu haben; ja daß ich bis auf den heutigen Tag mich nicht entschließen konnte zu antworten, weil ich nicht nach meinen Wünschen und Gesinnungen antworten konnte.

Betrachtet man es recht genau so kleidet ein freundliches Ja eine liebenswürdige Elpore nicht allein, sondern wirklich Jedermann und das Nein ist ein ver dreißliches Wort, bey dessen Aussprache man nothwendig das Gesicht verzerren muß.

Wie sollt' ich also sagen, daß ich zu dem schönen Fest nicht anlange als etwa jetzt, da es wirklich unmöglich ist. Denn ich weiß nicht einmal ob dieser Brief bis zu Ihnen dringt, um mich noch zur rechten Zeit zu entschuldigen. Obgleich eine jede Entschuldigung auch wieder etwas unzeitiges ist: denn es wäre besser man bedürfe ihrer gar nicht.

Also vor allen Dingen zürnen Sie mir nicht und dann verwenden Sie Ihre Anmuth dergestalt zu meinen Gunsten, daß Ihre vortreffliche Fürstinn mir auch nicht zürnt, und mir einige Frist gestatte, meine Versäumniß wieder gut zu machen.

Noch 14 Tage muß ich mich in Franzenbrunn aufhalten. Das ist die Verordnung des Arztes, und wie sehr wünsche ich hernach an einem schönen Septembertage in Löbichau aufzuwarten. Bis dahin lebe [155] ich in steter Sorge, ich möchte plötzlich nach Weimar beordert werden, welches mir manchmal geschieht, wenn ich den mir milde und läßlich ertheilten Urlaub bis in die späte Jahreszeit auszudehnen wage.

Kann das Vergnügen das die kleinen hier beykommenden Gedichte in dem schönen Kreise erregen, meine Vergebung beschleunigen, so lassen Sie solche ja nicht lange ungelesen, damit meiner so nachsichtig und freundlich gedacht werde, als ich aufgenommen ward, da ich sie selbst vortrug.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1808. An Dorothea von Knabenau. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7C8D-C