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An Christian Gottlob Voigt

[Jena, 21. Juni.]

Recht herzlichen Dank, daß Sie mir von Ihrem Befinden Nachricht geben und mich einen Blick in [187] Ihre Zustände thun lassen. Alles, was sich auf ein beschränktes Local gründet, ist und bleibt unveränderlich. Genau an der gleichen Lebensweise nahm ich vor so viel Jahren Theil und freue mich, wenn die Anlage, zu der ich damals beytrug, nicht ganz mißrathen ist.

Empfehlen Sie mich unserm gnädigsten Herrn aufs allerbeste und versichern ihn meiner lebhaftesten Freude über sein Wohlbefinden. Seine Erhaltung so wie seine Zufriedenheit muß uns immer das wünschenswertheste für ihn und andere bleiben.

Mein hiesiger Aufenthalt war diesmal sehr fruchtbar, ich habe mein Contingent zum Almanach gestellt und kann nun wieder an andere Arbeiten gehen, auch ist in natürlichen Dingen mancher Vorschritt geschehen.

Schellings kurzer Besuch war mir sehr erfreulich; es wäre für ihn und uns zu wünschen, daß er herbeygezogen würde; für ihn, damit er bald in eine thätige und sterbende Gesellschaft komme, da er in Leipzig jetzt ziemlich isolirt lebt, damit er auf Erfahrung und Versuche und ein eifriges Studium der Natur hingeleitet werde, um seine schönen Geistestalente recht zweckmäßig anzuwenden. Für uns würde seine Gegenwart gleichfalls vortheilhaft seyn: die Thätigkeit des jenaischen Kreises würde, durch die Gegenwart eines so wackern Gliedes, um ein ansehnliches vermehrt werden; ich würde bey meinen [188] Arbeiten durch ihn sehr gefördert seyn, besonders aber glaube ich, daß er Scherern sehr nützlich werden könnte, indem der eine das besondere, der andere das allgemeine behandeln und so beyde zum Ganzen arbeiten könnten. Er hat mir persönlich in dem kurzen Umgang sehr wohl gefallen; man sieht, daß er in der Welt nicht fremd ist, die Tübinger Bildung giebt überhaupt etwas ernsthaftes und gesetztes und er scheint, als Führer von ein paar jungen Edelleuten selbst gefälliger und geselliger geworden zu seyn als diejenigen zu seyn pflegen die sich, in der Einsamkeit, aus Büchern und durch eigenes Nachdenken, cultiviren.

Ich nehme mir die Freyheit sein Buch, »von der Weltseele,« Ihnen als eigen anzubieten, es enthält sehr schöne Ansichten und erregt nur lebhafter den Wunsch, daß der Verfasser sich mit dem Detail der Erfahrung immer mehr und mehr bekannt machen möge.

Vielleicht interessirt unsern gnädigsten Herrn der meteorologische Theil, besonders die Kritik der gewöhnlichen Begriffe über diesen Gegenstand p. 136.

Wenn man sich entschlösse zu seinen Gunsten etwas bey den übrigen Höfen für ihn zu thun, so würde man sich auf diese beyden Schriften beziehen können und ihn in der Qualität eines denkenden jungen Mannes, von dessen hellem Blick und guter Methode man sich in den Erfahrungswissenschaften [189] als die Physik und Chemie pp. künftig viel zu versprechen habe, mit guten Gewissen aufführen können.

Wegen Schlegels hat Meinungen Bericht von der Akademie gefordert worin man von den Verdiensten eines Mannes unterrichtet zu seyn verlangt, von dem Uns bisher gar nichts bekannt geworden ist.

Herr v. Hendrich, der gestern wegen des Hofgerichts hier war und sich im Clubb befand, fühlte einige Verlegenheit als man, vielleicht nicht ganz bescheiden, dieser, freylich nicht sehr geistreichen Anfrage erwähnte.

Heute Abend gehe ich nach Roßla und wünschte freylich recht herzlich dort mit Ihnen zusammen zu kommen. Nehmen Sie indessen meinen besten Dank, daß Sie mir an Rühlemann einen so bedeutenden Assistenten zugewiesen haben. Der Wetterschaden wird so arg nicht seyn. Da Fama tausend Zungen hat, so setzt sie gewöhnlich dem Übel drey Nullen zu. Wenn die Übergabe vorbey ist gebe ich einige kurze Nachricht.

Möchten Sie übrigens sich bey Bewegung und einiger Zerstreuung, da die Geschäftssorge Sie nicht ganz verlassen kann, leiblich und geistig recht wohl befinden und glücklich nach Weimar zurückkehren, ich kann auf jeden Wink gleichfalls eintreffen und erfreue mich zum Voraus wieder Ihrer Nähe. Leben Sie recht wohl und gedenken mein.

G. [190]

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1798. An Christian Gottlob Voigt. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7CA1-D