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An Christoph Ludwig Friedrich Schultz

Mit erleichtertem Herzen kann ich Ihnen, verehrter Freund, in diesem Augenblicke schreiben; denn Sie haben Sich gewiß die traurigen Zustände unserer letzten 14 Tage gedacht, wenn Sie die tödtliche Krankheit unserer verehrten Großherzogin vernahmen, die in gewissen Augenblicken wenig Hoffnung ließ. Kaum war ich von meinem schweren Übel genesen und trachtete mich nach und nach zu erholen, als diese harte Prüfung über uns verhängt war, von der wir uns noch nicht ganz hergestellt haben. Indessen um zum zweytenmal in's Leben zurückzukehren erwidere ich auf Ihre reiche freundliche Sendung und Theilnahme, das Nächste dankbar ergreifend.

Erstlich soll die Zibetkatze gerühmt seyn, die mir, wie jener Widder im Busche dem voreilig opfernden Alten, aus aller Verlegenheit hilft.

Dagegen gibt mir das Schubarthische Heft viel zu denken. Es freut mich, daß Sie ihn auf diesen [34] Weg geführt haben; grüßen Sie ihn zum allerschönsten; wenn er seinen Scharfblick nach allen Seiten hin wendet, so wird es diesen Heften an Mannichfaltigkeit nicht fehlen. An einigen, gegen den Zeitsinn gerichteten und wohl angebrachten Äußerungen hab ich den Verfasser wohl erkannt; lassen Sie diese Rubrik nicht ausgehen. In diesem Augenblick geziemt sich wohl dergleichen zu wagen. Wie sehr wünscht ich einmal wieder eine mündliche Unterhaltung über die so wichtigen Gegenstände des Tags.

Der theilnehmende Verein wird von meiner Schwiegertochter sehr gelobt welche in allen Auctionen meine früheren Ausgaben, sogar theilweise einzeln aufkaufen läßt; bey einigen, Hackert, Winckelmann, die Propyläen, ist sie zu ihrem großen Verdruß überboten worden. Ich werde dankbar erkennen, wenn der löbliche Verein einer vollständigen Ausgabe meiner Schriften vorarbeitet und sich ferner hin ausspricht, was davon zu wünschen und zu erwarten wäre.

So eben bin ich im Begriff jene zwanzig Bände um zehn bis zwölf zu vermehren und theils die im kleineren Format herausgekommen letzteren Arbeiten heranzuziehen, theils Zerstreutes anzufügen; sobald sich dieß näher entscheidet, melde ich's umständlicher.

Die so glücklich restaurierte Dame hat die Hoffnung erregt, daß es mit andern beschädigten Bildern gleich [35] günstigen Erfolg haben werde, ich lege daher ein einzelnes Blatt bey zur Bequemlichkeit wenn Sie allenfalls einen Künstler darüber sprechen wollten.

Die Gypssendung ist glücklich angekommen. Dante scheint mir auch ein Kunstwerk aber sehr nahe an der Natur; der kleine Bacchus ist himmlich, der Tänzer, wahrscheinlich eine Bronce, höchst schätzenswerth. Können Sie mir ähnliche kleine Dinge von Zeit zu Zeit zusenden, so verpflichten Sie mich höchlich. Die Brosamen von dem reichen Tisch der Alten sind es doch eigentlich wovon ich lebe; wie Sie aus dem restaurirten Phaeton nächstens erfahren werden.

Nur noch eine trauliche Bitte. In dem VIII. Heft von Tischbeins Homer nach Antiken gezeichnet stellt die erste Tafel den Ulysses nackt dar, er hat die gewöhnliche Mütze auf dem Haupte, trägt auf der linken Schulter ein Ruder und in der rechten Hand eine Fackel.

Die antike Paste, wornach dieses Blatt gezeichnet ist, soll in den Händen des Herrn Staatsrath Uhden seyn, und ob wir gleich für die Tischbeinische Mittheilung dankbar sind, so möchten wir denn doch das Original sehen das für eins von den schätzbarsten Denkmalen dieser Art gar wohl zu halten ist; können Sie uns einige Abdrücke oder Abgüsse davon verschaffen, so werden wir es dankbarlichst anerkennen.

[36] Die beiden Kupferblätter nach de Madonna del Pesce sind mir noch nicht zu Gesicht gekommen, ich werde mich darnach umthun, und unser guter Meyer, der sich dergleichen annimmt, wird Ihren Wünschen hierin gern entgegen kommen.

Es war ein Glück, daß ich zu den Heften soviel vorgearbeitet hatte, sonst wär ich den dringenden Setzern und Druckern nicht nachgekommen; und doch gesteh ich, daß mir dießmal die letzte Redaction und Revision viel Pein gemacht, die ich ohne Beystand Freund Riemers nicht hätte bewirken können. So große Sorge, Angst und Bangigkeit mit einer sich erst herstellenden Natur ertragen zu sollen ist freylich zu viel verlangt; es ist schwer, nach solchen Anstrengungen wieder zu Athem zu kommen. Möge den Freunden aus diesem Bestreben etwas Erfreuliches hervorgehen.

Hiezu noch eine Anfrage: könnten Sie mir ein Exemplar von dem Nachdruck meiner früheren Schriften, welche Himburg in Berlin in den Jahren 73 oder 74 veranstaltet, verschaffen, so würde meine Schwiegertochter sehr dadurch erfreut werden; vielleicht kann ich dem wohlwollenden Verein mit etwas Ähnlichem dagegen dienen.

and so for ever!

Weimar den 7. May 1823.

G.


[37] [Beilage.]

Wir besitzen hier ein Bild von Hackert in mäßiger Größe, für seinen Freund Herrn Gore mit großer Liebe und Sorgfalt gemalt; dieses, gegenwärtig in den Zimmern unserer gnädigsten Herrschaft, betrübt die Eigenthümer durch eine wunderliche Erscheinung. Die Luft nämlich, die mit dem übrigen Abendglanze der Landschaft sehr schön harmonirt, hat da, wo sie an die Ferne gränzt, unzählige kleine Risse gewonnen, die man zwar in einiger Entfernung nicht sieht, die aber den Genuß, wenn man sich dem Bilde nähert, unterbrechen und stören. Kunstverständige glauben, es werde der ganzen Sache geholfen seyn, wenn man das Bild auf eine andere Leinwand aufzöge, die Risse würden von selbst zugehen und weiter an dem Bilde nichts zu thun seyn; wäre dieß, so würde jeder Wunsch erfüllt; denn ob man am Bilde mit Farbe zu retouchiren wagen dürfe, daran zweifle ich sehr, wegen der großen Übereinstimmung und Reinheit des Tons. Nun kommt es darauf an, ob ein vorzüglicher Landschaftskünstler, wie Sie in Berlin besitzen, nach dieser Äußerung selbst einige Hoffnung hegt, so würde man das Bild zu übersenden nicht verfehlen; es ist nicht groß und würde sich ohne Schwierigkeit und sicher transportiren lassen. Worüber mir denn gefällige Entschließung erbitte.

G. [38]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1823. An Christoph Ludwig Friedrich Schultz. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7CC5-E