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An Johann Christian Kestner
[Frankfurt, Juni 1773.]
Euer Brief hat mich ergözt, ich wusste durch Hansen schon manches von euch. Heute Nacht hat mirs von Lotten wunderlich geträumt. Ich führte sie am Arm durch die Allee, und alle Leute blieben stehn und sahn sie an, Ich kann noch einige nennen die stehen blieben und uns nachsahen. Auf einmal zog eine Calesche über und die Leute waren sehr betreten. (Das kommt von Hansens Briefe der mir die Geschichte von Minden schrieb.) Ich bat sie sie mögte sie doch zurückschlagen das that sie. Und sah mich an mit den Augen, ihr wisst ja wies einem ist wenn sie einen ansieht. Wir gingen geschwind. Die Leute sahen wie vorher. O Lotte sagt ich zu ihr, Lotte, dass sie nur nicht erfahren dass du eines andern Frau bist. Wir kamen zu einem Tanzplaz pp.
Und so träume ich denn und gängle durchs Leben, führe garstige Prozesse schreibe Dramata, und Romanen [91] und dergleichen. Zeichne und poussire und treibe es so geschwind es gehen will. Und ihr seyd geseegnet wie der Mann der den Herren fürchtet. Von mir sagen die Leute der Fluch Cains läge auf mir. Keinen Bruder hab ich erschlagen! Und ich dencke die Leute sind Narren. Da hast du lieber Kestner ein Stück Arbeit, das lies deinem Weiblein vor, wenn ihr euch sammelt in Gott und euch und die Tühren zuschließt. NB. Die Frau Archivarius (ich hoffe das ist der rechte Titel) wird hoffentlich ihr blaugestrieftes Nachtjäckgen nicht etwa aus leidigem Hochmuth zurückgelassen, oder es einer kleinen Schwester geschenckt haben, es sollte mich sehr verdriessen, denn es scheint ich habe es fast lieber als sie selbst, wenigstens erscheint mir oft das Jäckgen wenn ihre Gesichtszüge sich aus dem Nebel der Imagination nicht losmachen können.