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An Carl Friedrich Zelter

Für die baldige Übersendung der erbetenen Musik sey Ihnen der beste Dank gesagt. Ich will suchen, sie bald möglichst, so gut es immer gehen will, zu hören. Übrigens bin ich mit Ihnen überzeugt, daß man bey dieser Gelegenheit nicht flicken, sondern etwas [18] aus dem Ganzen schneiden sollte. Ich habe nur leider nie das Glück gehabt, neben mir einen tüchtigen Tonkünstler zu besitzen, mit dem ich gemeinschaftlich gearbeitet hätte, und daher habe ich mich immer in solcher Fällen an das Stoppeln und Zusammensetzen halten müssen, und so schwebte mir das auch bey der gegenwärtigen Gelegenheit wieder vor.

Sie sollen aber nun bald möglichst wenigstens zuerst mein Schema erfahren, und mir Ihre Gedanken darüber eröffnen. Sowohl Vorsatz aber als Arbeit bleibt unter uns, bis fertig sind und getrost auftreten können.

Indem ich an Rameau's Neffen und dessen Zubehör arbeitete, habe ich oft an Sie gedacht und mir nur wenige Stunden Unterhaltung mit Ihnen gewünscht. Ich kenne Musik mehr durch Nachdenken als durch Genuß und also nur im Allgemeinen. Mich freut, daß Ihnen dieses Bändchen eine gute Unterhaltung gegeben. Das Gespräch ist aber auch ein Wahrhaftes Meisterwerk.

Für den Wilhelm Meister bleib' ich Ihr Schuldner, so wie für manches andere. Indessen sende ich hier eine Schachtel Spaniol, welcher wohlbehalten anzukommen wünsche.

Iffland hat auf jede Weise Recht, den pathologischen Antheil des Publicums für seine Zwecke zu benutzen. Wenn die Deutschen nicht real gerührt sind, so sind sie ideal schwer zu rühren. Setzt er [19] seine Reihe der Vorstellungen durch und führt er sie am Ende zu einer tüchtigen Benefiz Vorstellung für die hinterlassenen Kinder; so soll er gerühmt werden.

Das Frankfurter Absurdum lege ich bey. Man setzt in die Zeitung: er sey nicht reich gestorben, habe vier Kinder hinterlassen, und gewährt dem lieben Publicum einen freyen Eintritt zu einer Todtenfeyer! Pfaffen und Mönche wissen die Todtenfeyer ihrer Heiligen besser zum Vortheil der Lebenden zu benutzen. Das tiefe Gefühl des Verlustes gehört den Freunden als ein Vorrecht. Die Herren Frankfurter, die sonst nichts als das Geld zu schätzen wissen, hätten besser gethan, ihren Antheil realiter auszudrucken, da sie, unter uns gesagt, dem lebenden Trefflichen, der es sich sauer genug werden ließ, niemals ein Manuscript honorirt haben, sondern immer warteten, bis sie das gedruckte Stück für 12 gr. haben konnten. Verzeihen Sie mir, daß ich so weitläuftig bin. Ich könnte es noch mehr seyn, wenn ich sagen wollte, was über diesen Gegenstand alles zu sagen ist.

Geheimerath Wolf von Halle war auf 14 Tage bey mir. Die Gegenwart dieses so höchst tüchtigen Mannes hat mich in jedem Sinne gestärkt. Jacobi erwarte ich alle Tage. Warum kann ich nicht hoffen, Sie auch noch dieses Jahr zu sehen?

Leben Sie wohl und sagen mir bald wieder etwas, daß nicht so lange Pausen entstehen. Man [20] pausirt sich sonst einmal unversehens ins ewige Leben hinein.

Weimar, den 19. Junius 1805.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1805. An Carl Friedrich Zelter. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7D48-9