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An Christian Gottfried Daniel Neesvon Esenbeck

[Concept.]

Ew. Hochwohlgeboren

habe nur eilig aus der Mitte von willkommenen Zerstreuungen, indem seit meine Zurückkunft die werthesten Freunde mich nach und nach besuchen, für die doppelte Sendung den besten Dank abzustatten. Aus den Actis habe mir sogleich die empfohlenen Rhizomorphen zugeeignet und sodann Herrn Gruithuisens Erd- und Mondvergleichung wohl bedacht. Dabey lege ich mir auf: wenn ich, bey so vielem Beyfallswerthen, allenfalls etwas bemerken sollte, was mir nicht ganz nach dem Sinne ist (wie denn wohl in dieser vielsinnigen Welt manchmal der Fall seyn kann), solches aufzuzeichnen und vertraulich mitzutheilen; [256] denn between the President and the Fellow kann gar manches besprochen werden, was für die weite und breite Welt nicht gehört.

Und so will ich denn auch für die reiche Belehrung, den Ruß und Rost betreffend, den allerschönsten Dank sagen; wir rücken auf diese Weise doch immer weiter, und die Probleme werden mehr in die Enge getrieben. Darf ich bitten, meine Anfragen zurückzusenden, ich habe sie verlegt und wünschte doch das Ganze zusammen in dem nächsten morphologischen Hefte abdrucken zu lassen.

Die kleine Zeichnung der höchst merkwürdigen, ungeheuren, concentrischen Basaltkugel war mir höchst willkommen; sie dient zum Verständniß des größeren Steindrucks, und dieser klärt jene wieder auf.

In Böhmen waren dießmal außer dem Kammerberg noch zwey echt pyrotypische Stellen gefunden; Rose, meinem Contemporan, gehorchend habe erst das ursprüngliche Gebirg zu erkennen gesucht, alsdann dessen Veränderungen auszumitteln getrachtet. Dabey findet sich jedoch immer, daß man mit aufrichtigem Hinschauen gar wohl gewahren kann, was geschehen ist; wie es aber geschah? diese Frage setzt uns in Verlegenheit, und wer sich nicht recht in Acht nimmt, kommt in Gefahr, sich von Eilschlüssen und Vorurtheil überwältigen zu lassen. Übrigens erfreu ich mich, an die Schwelle des Unerforschlichen immer näher heranzutreten.

[257] Herrn Nöggerath bitte mich zum allerbesten zu empfehlen. Wie gern durchzög ich die Eifel mit ihm, zu klarem Schauen dessen, was immer noch als Problem vor mir steht. Warum bin ich nicht mehr so leicht auf den Füßen als zur Zeit, wo ich die unnützen Reisen in die Schweiz that, da man glaubte, es sey was Großes gethan, wenn man Berge erklettert und angestaunt hatte.

In den Kupferstecher scheint mein herkömmliches Zaudern gleichfalls gefahren zu seyn, indessen muß man schleichen lassen, was nicht zu beschleunigen ist.

Das wunderbare Silberbergwerk, dessen ich Seite 105 des neusten Heftes gedenke, habe zwar nicht selbst befahren, aber durch Abgeordnete und den Besitzer sehr gut kennen gelernt; auch die vollkommenste Reihenfolge der Gebirgs-, Gang- und Erzarten mitgebracht. Im nächsten Hefte wird wenigstens [bis] zum 22. Juli genaue Kenntniß gegeben, wo möglich bis auf die letzte Zeit.

Immerfort dauernde gesellschaftliche Einwirkungen, besonders einer Madame Szymanowska, Polnischer Pianospielerin, deren Talent bis auf's höchste gesteigert ist, erlauben mir in die Wissenschaft nur flüchtige Blicke zu werfen. Empfangen Sie meinen besten Dank für alles Bisherige, lassen Sie mich auch zunächst Ihren glücklichen Fortschritten folgen und nehmen Sie Theil an meinem stillen und sachten, aber gewiß ernsten und wohlgemeynten Gange.

Weimar den 31. October 1823.

[258]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1823. An Christian Gottfried Daniel Neesvon Esenbeck. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7D4D-0