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An Christian Gottlob Voigt

Ich habe mich schon manchmal in dem Fall befunden und weiß, wie peinlich er ist, wenn man ein schon vorhandenes Kunstwerk einem neuen Gebrauch aneignen will. Die Wahl ist fast schwerer als die Erfindung: denn diese hat etwas Überredendes in sich selbst, bey jener aber ist die Entscheidung mancher Zufälligkeit unterworfen.

[289] Bleiben wir bey dem gegenwärtigen Falle stehen, so ist er in diesem Sinne merkwürdig genug. Auf jener Familienmünze bezieht sich Honos und Virtus auf die Köpfe des Apolls und der Pallas, welche griechische Gottheiten hier auf römische Weise allegorisirt sind. Die beyden Figuren auf der andern Seite sind, wie die Umschriften ausweisen, Italien und Rom. Nun befanden sich zu der Kaiser Zeiten die Stempelschneider schon in unserem Fall, daß sie sich nämlich des schon vorhandenen, Guterfundenen zu neuen Zwecken bedienen mochten. Die beyden Figuren componiren wirklich sehr schön, sie ließen sich nicht besser erfinden, die specifischen Namen Italien und Rom, so wie der Schlangenstab verschwanden, die Namen Honos und Virtus rutschten von der Gegenseite herüber, man entfernte die Weltkugel und legte dafür der gewappneten Figur einen Helm oder sonst etwas dergleichen unter die Füße, und so war wieder etwas ziemlich Passendes hervorgebracht, das auch an seinem Sinne nichts verlor, selbst wenn man sich jenes Ursprungs erinnerte. Diese beyden Figuren wieder anzuwenden würde ich kein Bedenken tragen, wenn nicht die Kluft der achtzehnhundert Jahre die Bedeutung der Figuren von uns noch weiter weggerückt hätte. Zu Vespasians Zeiten galt wohl Virtus in militärischer Gestalt und Honos mochte allenfalls ein Füllhorn tragen; in unsern kleinen Verhältnissen aber bedürfen wir anderer Tugenden und die Ehre ist selten nahrhaft.

[290] Da ich für gedachte Gruppe, wegen ihrer Schönheit, selbst portirt bin, so mach ich mir die Einwendungen, weil man doch am Ende den Fragenden Rechenschaft über die Bedeutung der Medaille geben müßte.

Ew. Excellenz sehen hieraus, daß ich, wider meine Gewohnheit, ein pater difficultatum werde. Glücklicherweise ist die Angelegenheit von der Art, daß sie noch einige Überlegung und Berdung erlaubt.

Vorstehendes zu günstiger Aufnahme empfehlend

Weimar den 27. Februar 1813.

Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1813. An Christian Gottlob Voigt. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7DAD-9