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An Carl Cäsar von Leonhard,

[Concept.]

Ew. Hochwohlgeboren

verpflichten mich ganz besonders durch die einzelne Übersendung der Aushängebogen, ich erwarte und lese sie mit Leidenschaft wie Zeitungen; Aufmerksamkeit und Theilnahme erhält sich von einem Sendungs-Tage zum andern, und mir dienen diese werthen Blätter ganz eigentlich zum gründlichsten Examen. Ich frage mich, von welchen vorgetragenen Gegenständen ich mir unmittelbare Anschauung erworben; dadurch sondert sich ab, wornach ich mich noch umzuthun habe; neue Namen werden anerkannt, wo die Sache gewiß ist, und die Zweifel des Augenblicks genau bemerkt. Hiedurch ist denn schon sehr viel gewonnen, und dieß verdanke ich Ihrer mittheilenden Geneigtheit.

Nun aber hatte ich kaum S. 104 den Diorit als Grünstein anerkannt, so macht mich S. 118 der Dolerit verlegen und unglücklich, denn die freundlich zugesagte Sendung, ist bis jetzt ausgeblieben, und ich sehne mich vergebens nach einem Blick auf diese merkwürdige Steinart, von welcher das ausführliche Heft Nephelin in Dolerit am Katzenbuckel so umständlich Bericht gab.

Leider bin ich nicht mehr so mobil, daß ich die große jenaische Sammlung öfters benutzen und mich[59] dort, wie sonst, von Zeit zu Zeit Raths erholen könnte; und so find ich mich denn gegenwärtig zu der Bitte genöthigt, Ew. Hochwohlgeboren möchten die zugesagte Sendung gefälligst beschleunigen und mein Verlangen, welches dem so vieler tausend Menschen nach spanischen Nachrichten gleichkommt, vollständig befriedigen.

Dagegen werde eine in Deutschland gefundene Gebirgsart, dem Itakolumit des Herrn von Eschwege, nach dessen eigener Zustimmung, ganz nahe verwandt, sogleich übersenden und anfragen, ob bey Ihrer ausgebreiteten Umsicht schon dergleichen vorgekommen? Ich gehe nun drauf aus, ob nicht auch hier wie in Brasilien der biegsame Stein sich in der Nähe findet.

Möge Ihrer großen und, man darf wohl sagen, gränzenlosen Thätigkeit Glück und Förderniß überall begegnen.

Zum Schlusse bemerk ich, daß mir die Anschauung des Dolerits um deswegen so wichtig ist, weil ich bey meiner vorhabenden Reise nach Böhmen den Wolfsberg bey Ezerlochin im Pilsner Kreis, wo nicht in Person, doch durch Abgeordnete werde besuchen lassen. Er liefert schöne, große, deutlich Augiten, und ich müßte mich sehr irren, wenn die bräunliche Masse, worin sie eingeschlossen sind, das Gebirg nicht zum Doleriten qualificiren sollte.

Weimar den 9. Juni 1823.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1823. An Carl Cäsar von Leonhard,. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7DC4-4