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An Christian Gottfried Daniel Neesvon Esenbeck

[Concept.]

[Mitte August 1816?]

Aus Ew. Wohlgeb. gefälligem Schreiben habe mit Vergnügen ersehen, daß meine Sendungen glücklich angelangt und wohl aufgenommen worden. Sobald ich nach Hause zurückkehre, soll Herr Bergrath Döbereiner ein Stück von dem bewußten Naturkörper zur Untersuchung erhalten.

Ihren Aufsatz erwarte ich mit Verlangen und werde gerne in Ihrer Gesellschaft auf der Nachtseite verweilen, die als finster und feucht, im Gegensatz des Lichten und Trockenen, so höchst belehrend ist wie eine einfache, nackte Wurzel gegen die Mannigfaltigkeit eines verzweigten und belaubten Stammes.

In den Tagebüchern meiner Italiänischen Reise, an welchen jetzt gedruckt wird, werden Sie, nicht ohne Lächeln, bemerken, auf welchen seltsamen Wegen ich der vegetativen Umwandlung nachgegangen bin; ich suchte damals die Urpflanze, bewußtlos, daß ich die Idee, den Begriff suchte wonach wir sie uns ausbilden könnten.

Und doch war damals diese Lehre schon längst entdeckt, bekannt und angenommen lebendig, dann aber auf die wunderlichste Weise verdrängt und ein Präformations-Wahn durch den geistreichsten Mann seiner Zeit eingeführt.

[144] Ebenso bedurfte es eines Newtons, die fratzenhafte Lehre der Lichtzersplitterung dem Menschenverstand aufzudringen und die umsichtigsten Forscher gegen alle fortschreitenden Entdeckungen und deren Aussprüche blind zu machen.

Das alles hat sich nun nach und nach in's Klare gesetzt, so daß ich jetzt die Freude habe, eine fortschreitende Umgestaltung des beynahe Gestaltlosen von Ihnen durchgeführt zu sehen.

Ich denke nun nach und nach meine älteren Aufsätze dieses Fachs drucken zu lassen, als geschichtliche Documente, die, wie ich hoffen darf, das Vertrauen jüngerer Mitglieder mir noch mehr gewinnen sollen.

Sind erst Ihre Kupfer sämmtlich beysammen; so nehme Veranlassung über die Farben jener Nachtkinder bey Ihnen anzufragen. Denn indessen bey ausgebildeten Pflanzen das Licht zur Färbung so nöthig ist; so sind dagegen manche dieser Erstlinge der Natur, wenn schon im Verborgnen erzeugt, auf den höchsten Grad gefärbt.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1816. An Christian Gottfried Daniel Neesvon Esenbeck. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7DF8-E