[143] 23/6421.

An den Herzog Carl August

[Concept.]

Vorläufiger unterthänigster Bericht.


Da ich noch acht Tage länger als erst mein Vorsatz gewesen, hier zu bleiben veranlaßt bin, so verfehle[143] nicht, hierdurch vorläufig einiges von meinen bisherigen Ausrichtungen schuldigst zu melden.

1) Mit dem Zustande der Museen werden Ew. Durchl. gewiß zufrieden seyn. Das Vorhandene ist erhalten, manches Neue hinzugekommen, und alles nach Ihren Absichten vielfach genutzt worden. Lenz ist in Extase über die Tischplatte und das salzsauere Kupfer. Ich werde mich wohl entschließen müssen, ein paar instructive Stücke von der Gebirgs-Art aus der die Platte besteht, die ich vor dreyßig Jahren mit von Harze gebracht, von einander sägen zu lassen, um durch solche Parallel-Exemplare jenes auffallend problematische Exemplar anschaulicher und erklärbarer zu machen.

Hofrath Fuchsen habe ich endlich den lange projectirten Amanuensis zugegeben, einer hier studirenden Chirurgen Schröder. Er wird bey Erhaltung und Vermehrung des Kabinetts gute Dienste leisten. Der Prosector hat nie zweckmäßig und nur nach seiner Lust gewirkt. Diese vergeht ihm nun auch, er wird stumpf und die Augen legen ihm ab.

Voigts zartes Gemüth erholt sich nach und nach und er tröstet sich über den Verlust zu Erfurt; das Vergnügen seine Physiologie gut besetzt zu sehen richtet ihn auf, und er ist für allen gnädigsten Antheil höchlich dankbar.

Döbereiner geht in seiner Sache derb und tüchtig fort und gewinnt täglich eine größere Gewandtheit [144] in seinem Metier. Es ist ihm bey diesem wunderlichen Schachspiel der Elemente alles höchst gegenwärtig und zur Hand.

Münchow freut mich auch. Seine große Schärfe und Genauigkeit leidet freylich von den schlottrigen Jenaischen Handwerken bey dem neuen Baue gar sehr, indessen kommt er doch durch Thätigkeit und Aufmerksamkeit rasch vorwärts. Den 18. December ist eine wichtige Sternbedeckung des Aldebarãn durch den Mond. Münchow wird das Mögliche thun, um sie observiren zu können. Da muß er sich zusammen nehmen. Wenn man die Mathematik verehren und lieben will, so nähere man sich ihr, wenn sie sich mit Astronomie abgiebt. Hier ist manches, was einem sonst an ihr und ihren Priestern beschwerlich und unangenehm fällt, am rechten Platz und höchst respectabel. Eine andere günstige Bemerkungen über diese Anstalt verspare ich bis zum Hauptberichte.

Mit den Subalternen können wir auch zufrieden seyn. Nach Dürbaums Abgang ist Färber, der schon lange für ihn vicarirte, an die Stelle getreten. Und so auch dieser Kreis abgeschlossen.

Wagner wird von Voigten, Richter von Münchow gelobt, und ich hoffe, Schröder soll sich zu Fuchsens Zufriedenheit benehmen.

Hier muß ich abbrechen, um meinem Hauptbericht nicht zu viel vorzugreifen.

[145] 2) Und nun Einiges von den Berkaischen Wassern. Ich kann dem guten Prinzen nicht verdenken, daß ihm vor dieser Unternehmung schaudert. Es gehört schon etwas dazu ich eine solche Anstalt als wirklich zu denken; denn bloß dadurch kann man sie für möglich halten, wenn man nicht zu dergleichen Dingen, durch Naturell und Leidenschaft getrieben wird. Wohnten diese dem Prinzen bey und hätte er allenfalls einen jungen Mann neben sich wie Carl Brühl war, so würde die Sache rasch angegriffen und das Berkaer Thal schon nächsten Sommer Seyffersdorfisirt seyn.

Ich werde das Mögliche thun, um Klarheit und einige Gewißheit in die Sache zu bringen, damit wenigstens die dunklen Apprehensionen, welche bey der flüchtigen Ansicht derselben nothwendig peinigen müssen, beseitigt werden und man sich eines klaren Blicks darüber erfreuen könne.

3) Beyliegendes Blatt giebt zu manchen Betrachtungen Anlaß; denn nicht der Lections Catalogus, sondern ein solches Register läßt über den Zustand einer Academie, über Lehrer und Schüler klar werden.

Was ich bis den heutigen Tag habe erfahren können, ist bemerkt; doch soll die Tabelle fortgesetzt werden, damit niemanden Unrecht geschehe.

Jena den 14. Nov. 1812.


[146] Unterthänigster Nachtrag.

Ew. Durchlaucht

kommen mir durch das gnädigste Schreiben zuvor. Eben war ich im Begriff, Beyliegendes abzusenden und es mag sich immer produciren, da es wenigstens im Ganzen Ihren Gesinnungen und Absichten nicht widerspricht. Döbereiner und Kieser haben mir schon ihre Erklärungen eingehändigt. Der letztre, ein vorzüglicher junger Mann, wenn er nur mit einer deutlichern Sprache von der Natur begünstigt wäre, schreibt gut und zeichnet recht artig. Zum Badearzt möchte er sich vorzüglich qualificiren. Sein Büchelchen über die Badeanstalt in Nordheim ist eine ausführliche Vorarbeit für unsern Fall. Jene Schwefel Wasser zeigen sich auch in Teichen, am Fuß des Sandsteingebirgs in der Nähe von Gyps und Thon, und sind, bey denselben Bestandtheilen, nur schwächer. Man kann sich also in manchen Puncten darauf beziehen. Kieser hat mir einen flüchtigen Entwurf von den Erfordernissen einer solchen Anstalt zu den Acten gegeben, nicht weniger einige vorläufige Berechnungen. Ich werde alles ajüstiren und zusammenstellen. Auch hat derselbe einen hübschen kleinen Riß nach meiner Angabe verfertigt, wie das Badehaus nach jenem Local angelegt werden könnte. So wird auch nach seiner Zeichnung und unter seiner Anleitung ein Modell verfertigt von einem Schlammbade, um anschaulich zu machen, wie ein Zustand, [147] der eigentlich ein Capitel in Dante's Hölle abgeben sollte, erträglich und für kranke Personen wünschenswerth gemacht wird. Die Wirkung dieser Bäder soll über alle Begriffe gehn. Bisher habe ich alles ab ovo aus mir selbst, aus den Gegenständen und Personen genommen, nun werde ich mir aber auch die schon geführten Acten erbitten.

Für das gnädig mitgetheilte Elogium danke aufrichtigst. Es sind keine Flatterminen, die ich spielen lasse, sondern ein globe de compression mit dem ich ernste Wirkungen beziele. Es ist mir sehr angenehm zu hören, daß sie nicht verfehlt werden. Den Brief erbitte ich mir zu den Autographis. Es ist die recht schöne Hand eines geprüften Geschäftsmannes. Von Körner in Dresden habe ich auch ein recht freundliches Wort über die Fortsetzung meines biographischen Unternehmens. Ich wünsche bey'm Fortschreiten die Erlaubniß zu haben, mir Ew. Durchl. einsichtigen Rath zu erbitten.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1812. An den Herzog Carl August. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7E0A-D