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An Christian Gottlob Voigt

Einer Einladung nach Hohlstedt von Ew. Excellenz versah ich mich in diesen Tagen bey dem schönen Wetter und während der Abwesenheit unsers gnädigsten Herrn. Allein wie schwer können Sie sich frey und losmachen! und ich habe mich indessen darein ergeben, aber nicht ganz. Wäre es vielleicht diese Woche noch möglich, da Serenissimus, wie ich höre. den 6. wiederkommen? Ich wünsche es um so mehr, als ich mich kaum entschließen kann, nochmals nach Weimar zurückzukehren. Ich habe zwar bisher ohne Schmerzen gelebt und mich deshalb, nach Epicurs Lehre, über weiter nichts zu beklagen; allein die Gebrechen mucken doch immer hier und dort und ich habe schon öfters üble Folgen erlebt, wenn ich mich kurz nach einer großen Veränderung fatiguirt und agitirt habe. Meine Theatersachen mache ich mit dem Regisseur noch mündlich hier, mit meinem Herren Mitcommissarien schriftlich von hier aus ab. Was die Bibliothek betrifft, so wird Vulpius Rechenschaft gegeben haben. Sein letztes Promemoria liegt hier bey, mit meinen Bemerkungen und Zustimmungen, Ew. Excellenz Entscheidung und gefälliger Ausübung ganz anheimgegeben. [263] Was den kleinen Buchbinder betrifft, so glaube ich, werden wir eine gute Acqusition an ihm machen. Vulpius kennt die bisherigen Gebrechen zu gut, als daß er nicht die Bedingungen, die man so einem Manne vorschreibt, de Absicht gemäß verfassen sollte. Was einem solchen Mann auf der andern Seite zu gönnen ist, findet er gewiß bey uns. Ich will ihn zum Besten empfohlen haben.

Ferner nehm' ich mir die Freyheit beyzulegen einen Brief von Herrn von Massenbach und einer Dame, welche beyde, aus verschiedenen Gründen, den Druck des vierten Theils seiner Memoiren suspendirt, oder das Gedruckte secretirt wünschen. Herr v. R. hat mich schon von der Sache unterrichtet; ich will also Ew. Excellenz nicht weiter beschwerlich fallen, als mit der Bitte, mir nur mit wenigen Worten anzuzeigen, was ich diesen Personen, die ich doch nicht ganz ohne Antwort lassen wollte, etwa Freundliches, wenn auch nicht Ersprießliches, vermelden könnte: denn ich sehe wohl, daß die Sache in einer wunderlichen Klemme steckt.

Meine Chromatika sind nun sämmtlich der Druckerey übergeben, haben aber zuletzt noch mancherley Noth gemacht: denn bis Inhalts-Anzeigen, Register, Erklärung der Inhalte, öffentliche Anzeige des Buchs zusammen kamen und zusammen trafen, wobey Druckfehler-Bemerkungen oder Cartone auch nicht vergessen werden durften; so verging ein Tag nach dem andern, [264] ohne daß man sich gefördert fühlte. Und wenn ich kurz nach Jubilate gehe, wie mein Vorsatz ist; so fürchte ich das Ganze nicht einmal vollendet zu sehen.

Unser Lenz ist immer gutes Muths. Das Papiergeld seiner Diplome ist eher im Steigen, als im Fallen und ehe man sich's versieht, wird wieder einmal eins gewünscht und mit baaren Steinen bezahlt. Er hat jetzt sein Netz nach einem Edelsteinhändler ausgeworfen und ich vermuthe immer, daß er etwas fangen wird. Hauy hat ihn einem Briefe mon très cher confrère genannt, welches auch keine Kleinigkeit ist. Aus New York sind zwar wenig, aber sehr interessante Mineralien angekommen. Dort schreibt man auch ein mineralogisches Journal und hat um Beyträge gebeten, die wir denn gleich in Masse durch einen rückkehrenden Reisenden fortgeschickt haben. Indem ich oben von Hauy sprach, vergaß ich zu sagen, daß dieser, auf Lenzens Bitte um gewisse neue Mineralien, wo er keine Doubletten hatte, von seinen einzigen Exemplaren Splitter abgebrochen, um der Autopsie durch diese minutissima nachzuhelfen.

In St. Petersburg sind wir gleichfalls berühmt und Reisende versprechen, wo nicht goldne, doch wenigstens wunderliche Berge und Bergarten.

Fuchs geht in seinem anatomischen Cabinete sachte, aber säuberlich zu Werke. Homburg ist vor wie nach weder zu bändigen, noch zu nutzen, dagegen der neue Anatomie-Diener jung, brav und thätig ist, ein[265] wahres Mittelding zwischen einem Caviller und einem Prosector. Er verspricht das Skelet des schönen Mecklenburgischen Pferdes bald aufzurüsten. Er ist wie natürlich, ein armer, aber dabey sehr ordentlicher Mensch, Ew. Excellenz erlauben, daß ich ihm manchmal etwas zu Gute thue.

Die Jahresrechnung unsrer Museen ist schon eingereicht. Ich übersende sie vor meiner Abreise, indem ich sie nochmals mit Bedacht durchgehen möchte.

Die Auslagen für Professor N. habe ich Herzogl. Ober-Cammer-Casse restituirt und will mich nun hier aus der Museums-Casse, wie es gehen will, bezahlt machen. Kühn ist ein gar ordentlicher, braver Rechnungsführer, mit dem man gern zu thun hat, weil er Alles genau in den Schranken seiner vorgeschriebenen Form hält.

Verzeihen Ew. Excellenz, wenn mein heutiger Brief nicht sehr methodisch, mitunter desultorisch ist.

Noch will ich eines Mannes erwähnen, der sich hier auf eine sehr lobenswürdige Weise thätig erzeigt. Es ist nämlich Otteny, der nunmehr durch Frau und Kinder und seine übrige Lebensweise an Jena gebunden ist, so daß ihm äußere Offerten nichts mehr anhaben können. Für den Augenblick wünscht er nur eine Aus sicht, dasjenige künftig zu erhalten, was gegenwärtig der Hofmechanicus Schmidt empfängt. Survivances werden mit Recht nicht gern ertheilt, aber es käme darauf an, ob man sie ihm nicht bedingt [266] zugestehen könnte, daß er sich nämlich, im eintretenden Falle des Abgangs jenes ältern Mannes, wie bisher als einen fleißigen und ordentlichen Arbeiter und Bürger müsse darstellen können; zweytens daß er die Aufsicht und Custodie eines allenfalls von gnädigster Herrschaft zu errichtenden physikalischen Apparats unentgeltlich übernehmen wolle, dagegen man ihm die dabey vorfallenden Arbeiten um gerechten Preis bezahlen würde. Geschähe es mit Ew. Excellenz Zustimmung, so würde ich ein kurzes, Serenissimo vorzulegendes Promemoria in diesem Sinne nächstens verfassen.

Könnten wir alsdann im Laufe dieses Jahrs die Fledermaus-Reste des Consistoriums aus den hintern schönen Zimmern des Reithauses los werden, wird das Zimmer gegenüber von den Auctionsbüchern frey, so könnten wir übers Jahr um diese Zeit zu mancher schönen Einrichtung Anstalt machen. Jetzt bezahlen wir noch im ehemaligen Batschischen Hause dreyßig Thaler Miethzins für die freylich nicht zu verachtenden Besitzungen der naturforschenden Gesellschaft. Diese könnte man alsdann herübernehmen, die Instrumente absondern und aufstellen und das, was da ist, obgleich nicht von großem Belang, wenigstens conserviren.

Alle diese Desideranda und noch andere ließen sich freylich geschwinder beseitigen, wenn man nicht mit Recht den Ausbau der obern Etage des Schlosses verspätete: denn am Ende würde man doch nur die [267] Einquartierung dahin ziehen, welche gegenwärtig an die zerstörten Zimmer keinen Anspruch macht.

Wäre dieß nicht die letzte Seite, so würde ich noch manches Andre hinzufügen. Es ist so lange, daß ich mich mit Ew. Excellenz nicht unterhalten habe, daß mir meine dießmalige Ausführlichkeit und Geschwätzigkeit wohl zu verzeihen ist.

Mit den besten Wünschen und Versicherungen der treuesten Anhänglichkeit mich unterzeichnend

Jena den 1. May 1810.

Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1810. An Christian Gottlob Voigt. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7E23-4