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An Georg August Christian Kestner

[11. Juni 1831.]

Der gute Preller, theuerster Mann, ist angekommen, seine Sachen, die ihm nachfolgen, aber bleiben noch aus, und also ist das, was Sie mir so freundlich zusagten, bis jetzt nicht in meinen Händen; doch will ich nicht länger zaudern und Ihnen auf's beste für die freundliche Behandlung danken, welche Sie unserm geschickten Künstler während seines Aufenthaltes in Rom gegönnt haben. Es steht zu erwarten, wie er sich hier einrichten wird, wo ihm weder eine schöne Natur, noch eine fördernde artistische Gefelligkeit zu Gute kommt.

So viel Günstiges kann ich aber für den Anfang melden, daß er von unsern gnädigsten Herrschaften, so wie von den Weimarischen Kunstfreunden gnädigst und wohl ist aufgenommen worden, und daß es von Bestellungen die Rede ist, welche gleich bey ihm gemacht werden sollten.

Auch ohne zu besehen wünsche ich Ihnen aufrichtig Glück, daß Sie sich in Besitz vorzüglich geschnittener Steine setzen können. Der Geist, der im Alterthum so köstlich wirkte, den höchsten Ernst, so wie den niedrigsten Scherz belebte, zeigt sich hier in seiner vollkommensten genialen Freyheit. Ich habe tausend und abertausend Abdrücke um mich versammelt und [231] doch, bey jeder neuen Mittheilung, wie es auch vor einiger Zeit von der römischen Societät geschah, ist immer etwas unerwartet Überraschendes; es sey nun, daß ein bekannter Gedanke durch höhere Behandlung uns doppelt schätzenswerth erscheine, oder daß ein glücklicher Einfall uns, bey einer gränzenlosen Erfahrung, immer gleichsam wieder zu Anfängern mache.

Nun aber bitt ich Sie, einen kleinen Auftrag unschwer und ohne sonderliche Umstände zu besorgen.

In der Kirche San Giacomo dei Spagnuoli hat Hannibal Carracci des heiligen Didacus, sonst auch Sanct Diego genannt, das Brod, das er hinter seinem Vorgesetzten her den Armen bringen will, sich in Rosen verwandelte.

Dieses Bild wünschte in der allerleichtesten kleinsten Skizze, wie Sie mir solche, zusammengebogen, in einem Brief übersenden können, nachgebildet zu sehen. Es ist von gar nichts weiter die Rede, als daß man die Composition im Allgemeinen erkenne, das Verhältniß der Figuren gegen einander; wie gesagt, die allerleichteste Skizze ist zu meinen Zwecken hinreichend. Je eher, je lieber Sie mir solche senden, desto mehr werd ich Ihnen Dank wissen; bin ich auch jetzt nicht weitläufiger, um Gegenwärtiges nicht aufzuhalten.

Dürft ich Sie ferner ersuchen mit Herrn Resident Platner, welchem ich mich bestens zu empfehlen bitte, zu überlegen: ob man nicht die geringe Verlassenschaft meines Sohns, welche sich noch dort befindet, in eine [232] Kiste zusammenpacken und Herrn Banquier Mylius nach Mailand zuschicken sollte, da es sich nicht wohl ziemen will, Reisende, die für sich selbst genug zu thun haben, damit zu beschweren.

Noch eine Frage füge hinzu: ich habe einige Zeichnungen, klein Folio, die ich um einen Stab gewickelt Ihnen gern zuschicken möchte, einige wenigstens problematische Gegenstände vorstellend. Auf welche Weise schick ich Ihnen am sichersten zu, ohne daß Sie gerade durch ein disproportionirtes Porto belästigt werden?

Der Ankunft Ihrer liebnswürdigen Sendung mit Verlangen entgegen sehend.

Doch will ich noch etwas anschließen; sollte es thunlich und schicklich seyn, daß man die Stelle, wo mein Sohn niedergelegt worden, auf irgend eine Weise bescheidentlichst bezeichnete? Haben Sie die Güte, mir Ihre Gedanken darüber zu eröffnen; da der Vater, wie jene Elegie bezeugt, jenen Weg zu nehmen gewünscht, so ist es doch ganz eigen, daß der Sohn denselben eingeschlagen, und der Vorfall verdiente wohl ein Merkzeichen.

Mit dem ununterbrochenen Wunsche, mit Ihnen jenen dort einzig möglichen gründlichen Studien obliegen zu können, empfehl ich mich zum besten. Da es aussehen will, als wenn ich gar nicht schließen könne, so will ich nur noch versichern, daß jene Beschreibung von Rom mit ihren Tabellen mich manche Tage dieses [233] Jahres ernstlich beschäftigt hat. Alles Gute, besonders allen Landsleuten, da ich denn Gräfin Julien zu nennen mich nicht entbrechen kann.

Danckbar verpflichtet

Weimar d. 9. Juni. 1831.

J. W. v. Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1831. An Georg August Christian Kestner. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7E2B-3