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An Johann Heinrich Meyer

Ihre beyden Briefe No. 5 und 6, besonders den letzten, habe ich zu rechter und guter Zeit erhalten, und einige Tage angestanden darauf zu antworten, um nunmehr desto vollständiger seyn zu können. – Ihre Geldangelegenheit ist zuförderst in Ordnung gebracht, und ich habe, durch Cotta, an Herrn Escher 200, sage zweyhundert Laubthaler auszahlen lassen, und wäre also in Zürch eine kleine Casse für Sie formirt. Sobald ich nach Hause komme, will ich Ihnen Ihre Rechnung schicken, woraus Sie ersehen werden daß Sie bisher meist Ihre eignen Capitalien aufgewendet haben. Ich setze Sie um so lieber darüber ins klare, damit Sie sich desto weniger Gewissen machen auch über meine Casse zu disponiren. Leben Sie nur vergnügt und zufrieden, denken Sie, daß der Augenblick unschätzbar ist, und daß Sie, bey so mannigfaltigem Genuß, durch Schreiben und Bilden große und herrliche Schätze sammeln. – Vielleicht erinnern Sie sich eines Göttingischen Unternehmens das die Geschichte aller Wissenschaften umfassen sollte, ich habe die Geschichte der neuern Kunst von Fiorillo [200] stückweise vor mir, von der ich nur so viel sagen kann: daß sie viel Neigung zur Sache, auch eine gute Belesenheit verräth, aber ich müßte mich sehr irren, oder das Ganze muß unglaublich kraftlos werden. Wenn man darinn liest, so erfährt man etwas, aber man schaut nichts an, es ist wie die englische Übersetzung des Cellini, wo gerade die kunstreichen Charakterzüge worauf das höchste Interesse ruht, ausgelöscht sind. Eben im Fiorillo fand ich die Recension gewisser Gegenstände, die mir sehr gegenwärtig sind, äußerst schal, dann schlägt er sich wieder mit Papierhelden herum wie z.B. mit Ramdohr wo er zwar in der Sache recht hat, aber den Capitalfehler begeht, daß er ihrer wenigstens gedenkt. Die Hauptfrage wird seyn, ob wir ihm bey unserm Unternehmen etwas zu danken haben werden, und dann wollen wir seiner mit Ehren gedenken. – Ihren Antrag an Leo habe ich sogleich befördert, mein Vorschlag ist der: sobald ich seine Erklärung weiß, und sie kömmt wahrscheinlich vor Abgang dieses Briefes, so schreibe ich sie Ihnen und Sie schicken mir alle Zeichnungen, finde ich etwas darunter was ich zu künftigem Gebrauch, es sey nun für den Herzog oder für mich, zu verheimlichen wünschte, behalte ich es zurück, das übrige schicke ich an Leo, dem ich prompte Bezahlung an mich zur Pflicht mache, und ich lasse sogleich den Betrag des Ganzen, sowohl für die fotgeschickten als zurückbehaltenen nach Zürch bezahlen. Dadurch kommen [201] Sie aus allen Buchhändler- und Meßverhältnissen, Retardaten und Quäkeleien. Sollte er ein geringes Gebot thun, so könnte man die sämmtlichen Zeichnungen, um einen ehrsamen Preis, beym Schloßbau behalten. – Sollten Sie nicht überhaupt Aquarellcopien, im Großen nach Raphaelischen Arabesken in Rom oder auf eine andere Weise dergleichen Muster erhalten können, daß man bey vorkommenden Fällen doch irgend ein Anhaltens hätte. So werden nun z.B. die Blumenmonstra (so will Cellini daß man sie heißen soll) im neuen Hause aufs betrübteste und auf eine rettungslose Weise verpfuscht, so daß sie wirklich Augenschmerzen erregen. Horny, dem seine Heirath das bischen Künstlerenergie noch ganz abzuzapfen scheint, hat ein paar Banden mit dem kleinlichsten Jammer, und der elendesten manierten Stricheley, ohne Sinn und ohne Effect gemahlt. Diese Kartenmuster nehmen sich desto schlechter aus, als er einige Blumen dazwischen, nach der Natur, mit glücklicher Hand und recht guter Farbenhaltung, gleichsam aus Verzweiflung angebracht hat, jene sind nun bunt und steif, diese lebhaft und wahr, und da die Sache so steht hat Krause endlich ein paar Musterblumen, von mäßiger und eher matter Färbung, in einer nicht verwerflichen Art hingemahlt, so, daß man, es mag nun eine von denen drey Methoden die Oberhand behalten, immer in Betrachtung dieser Zierrathen verworren und zerrissen seyn wird.

[202] Sollten Sie hierauf zu eigner Satisfaction und zu dem Gebrauch für die Zukunft wenn man seine Pferde beschlagen zu lassen vielleicht vor die rechte Werkstatt gehen wird, etwas sammeln oder anschaffen können, so soll es an schneller Wiedererstattung nicht fehlen, besonders da wir jetzt den Weg über Zürch und Stuttgart so leicht offen haben. Cotta hat ohnedieß in Rücksicht meiner Italienischen Reise mir die Zahlung dessen was ich bey ihm stehen habe zu jeder Zeit zugesichert. – Lassen Sie sichs übrigens recht wohl in Florenz seyn, und danken Sie es Ihrer politischen Ahndungskraft daß Sie den rechten und besten Weg ergriffen haben dahin zu gehen. Graf Geßler, der bey Ihnen vorbey gegangen ist, schreibt aus Neapel es sey sehr unangenehm daselbst zu existiren, indem man in großer Verworrenheit lebe, und besonders die Ombrage gegen Fremde höchst lästig sey, man dürfe keinen Hügel besteigen so komme man schon in Verdacht einer Spionerie u.s.w. da mag es denn freylich dem Landschaftsmahler durchaus schlecht ergehen. Ich kann nur immer wiederholen bleiben Sie ruhig am Arno, wie ich an der Ilm und Saale auszuharren denke, bis die Weltangelegenheiten sich einigermaßen aufklären. – Die Kriegsbegebenheiten sind die sonderbarsten von der Welt, der linke Flügel unter Jourdan, der schon bis in die Oberpfalz hineindrang, ist dergestalt zurückgeschlagen, daß Bamberg, Würzburg und wahrscheinlich schon Aschaffenburg [203] wieder in den Händen der Österreicher ist. Gedachter General hatte am 3. Sept. sein Hauptquartier in Brückenau und kann sich wahrscheinlicherweise erst hinter der Lahn setzen, Frankfurt geht darüber ganz zu Grunde man hat ohnerachtet der übermäßig weggeschleppten Geiseln mit Plünderung gedroht, weil die unerschwingliche Contribution nicht bezahlt werden konnte. Überhaupt ist dieser Rückzug der Franzosen unglücklich, weil die Bauern im Fränkischen und andern Gegenden aufgestanden sind, sich zu einer Art von Corps formirt, die flüchtigen niedergemacht und ihnen alle Beute abgenommen haben. Dagegen haben die Franzosen an andern Orten viele Grausamkeiten verübt. – So sieht es gleich vor dem Thüringer Walde aus, indessen wir hinter demselben und unserm Cordon in gleichgültiger Ruhe fortleben. Der Bischoff von Fulda hat einige französche Commissairs von den nacheilenden Bauern gerettet, er ist in seiner Residenz geblieben und hat die Franzosen an seiner Tafel bewirthet. Man hat die Requisition gegen ihn so suspendirt, das wenigstens als Frist für den Augenblick immer ein Glück ist. – Nun steht von der andern Seite Moreau bis München, von dessen neuesten Thaten oder Leiden wir noch nichts wissen können. Die Franzosen sind in Tyrol bis gegen Roveredo, und wie oder was dort weiter werden kann sollten Sie eigentlich früher als wir erfahren. – Indem wir nun auf alles dieses nicht wirken und dabey nichts [204] gewinnen, sondern nur verlieren können, so ist es desto mehr Pflicht unsere eignen Verhältnisse recht wohl zu beherzigen und das vortheilhafteste zu thun.

Lassen Sie uns unsern Hauptplan nicht aufgeben, ich arbeite ihm durch Beobachtung, Betrachtung und besonders durch Schematisirung der interessanten Capitel und Rubriken immer entgegen. Lassen Sie sich durch das leichte Mignaturwesen der Welt nicht irre machen und wählen Sie immer das beste, denn wenn unsere Worte gelten sollen, so müssen die Sachen auch gelten, an die wir unsere Zeit wenden. Doch will ich dadurch nicht die nöthige Vorsicht ausschließen. Können Sie etwa diesen Winter irgend etwas in Öl mahlen, und einen Gegenstand finden der zugleich gründlich und gefällig für uns und die Welt ist, denn doch eigentlich das beste seyn sollte, so lassen Sie sich Zeit, Fleiß und Kosten nicht verdrießen, ich will indeß vom rechten Wege auch nicht abweichen.


Auszug eines Briefes von Herrn Leo aus Leipzig.


Da der Herr Professor eher bereits über 24 bis 30 Zeichnungen disponiren kann, so wünsche ich wohl, um einen Preis bestimmen zu können, daß ich wenigstens ein paar von ihm durch Sie erhalten könnte, nach welchen ich sogleich meine Gedanken wegen dem Preis den ich dafür zu geben bereit bin Ihnen alsdann melden könnte. Ich bin mit der Größe der Zeichnungen und denen darauf dargestellten Gegenständen pp. von Ihnen nicht unterrichtet, folglich läßt sich da nichts bestimmen. Ich bitte also durch [205] Ew. Wohlgeb. den Herrn Prof. Meyer, mir 2 bis 4 zur Probe zu senden, welche ich behalten will. Besser wäre es aber der Herr Prof. Meyer zeigte mir die Größe der Zeichnungen durch Sie an, meldete Sie viel Gegenstände auf einer solchen Zeichnung dargestellt wären, und was der italienische Künstler dafür ohngefähr nach hiesigem Geld für eine Zeichnung verlangte, so würde ich bald den ersten Versuch machen können. Damit Sie Ihren Freund einigermaßen unterrichten können, was ich hier dem Künstler bezahle, so melde ich Ihnen, daß ich für ein Blatt, so groß wie mein Magazin ist, welches Meubeln enthält 5 f. und für eine Zeichnung die eine Gartenparthie darstellt 7 rh. bezahle. Vielleicht genügt dies zu einem Maßstabe.


Aus vorstehendem, werden Sie Leos Anerbieten sehen, das freilich sehr gering ist; ich beziehe mich aber deßhalb auf das, was ich auf dem vorigen Blatte gesagt und überlasse Ihnen das weitere. Indessen ist Ihr Brief Nr. 7 vom 20. August auch angelangt, schreiben Sie nur immer fort. In diesen Tagen hat sich wieder das ganze Kriegsschicksal umgekehrt, der Franzosen linker Flügel ist in Einem Zug aus der Oberpfalz bis an die Lahn zurückgedrängt worden, Frankfurt ist wieder in den Händen der Kaiserlichen, die Franzosen haben an Contribution 8 Millionen Livres erhoben. Wie es mit dem rechten Flügel unter Moreau bey München aussieht, wissen wir noch nicht.

In dieser allgemeinen Ungewißheit bleibt uns wohl beyden nichts übrig als auf dem Platze Stand zu halten, ich wünsche nur daß der Aufenthalt in Florenz[206] Ihnen nicht gar zu unangenehm fallen möge, freylich sind Sie so ganz allein und ohne Mittheilung, indem wir hier in der Mittheilung, ohne Anschauen leben. – Ich will sehen, daß ich Ihnen durch Escher einen Musenalmanach nach Florenz schaffe, der äußerst toll gerathen ist und noch viel toller seyn könnte, wenn wir unsern Vorrath nicht so gar mäßig gebraucht hätten. Wir sind diese Tage über die Wahl des Gegenstandes bey Kunstwerken sehr im Gespräch gewesen, sammeln Sie doch ja auch auf diesen Punkt, es ist, der erste und der letzte, und da man die ganze Materie nicht dogmatisch sondern kritisch behandeln könnte, da man überall glückliche und unglückliche Beyspiele könnte reden lassen, so wäre es eine recht schöne Gelegenheit in und mit dieser Frage so viele andere zur Sprache zu bringen. Versäumen Sie nicht mir manchmal auch eine recht ausführliche Beschreibung eines wichtigen Kunstwerks nach unserm beliebten Schema zu überschicken. – Ich muß nur schließen und den Brief auf die Post geben denn sonst findet sich immer noch was neues und veränderliches. Leben Sie indessen schönstens wohl. – Vom Sauerkraut soll nächstens eine Probe gemacht werden. – Die Hausfreunde wünschen sehnlich ihre Wiederkunft und versprechen die allerbeste Bewirthung.

[Jena] den 15. September 1796.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1796. An Johann Heinrich Meyer. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7E50-F