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An Christiane von Goethe

Weimar den 30. März 1807.

Daß uns die liebe gute Mutter noch als Genien in Worten und Werken erkennt, freut mich recht sehr. Es ist als jemals nöthig, genialisch zu seyn, wenn man nur einigermaßen leben und sich des Lebens erfreuen will.

Daß meine liebe Frau glücklich angekommen, war mir sehr beruhigend zu vernehmen. Der Brief, der mir es meldet, kam ganz zur Stunde. Er überzeugt mich von dem, was ich voraussah, daß die Zusammenkunft erfreulich seyn würde.

[291] Wegen künftiger Abenteuer werde ich wohl in Carlsbad ein Paar hübschere Pistolen kaufen müssen, die gegenwärtigen sind doch etwas zu colossal.

Auf die Erzählung mag sich unter den gegenwärtigen Umständen wenig Zeit finden. Dagegen will ich mit meinen Nachrichten etwas umständlicher seyn. Denn ich halte dafür, wenn man lange auseinanderbleibt, so soll man sich wechselseitig um das Detail des Lebens nicht bekümmern. Hofft man sich aber bald wieder zu sehen, so ist es gut, nicht aus dem Zusammenhange zu kommen.

Zuerst also muß zum Lobe der Köchin gesagt werden, daß sie ihre Sachen vortrefflich macht, gute Waare ankauft und sie mit Sorgfalt zubereitet, sodaß wir es uns jeden Mittag können wohlschmecken lassen. Um grünen Donnerstag hatten wir uns Kohlsprossen bestellt und Honig zum Nachtisch, um dieses Fest recht würdig zu feyern. August hatte selbst Eyer roth und hart gesotten. Da die Fastenbrezeln alle sind, so bäckt die Köchin allerley Torten und Kuchen, die ihr nicht übel gerathen. Ein Truthahn ist abgeschlachtet und andre gute Dinge sind im Vorrath.

Mit dem Keller geht es sehr ordentlich. Der Gnome pflegt mich genau zu betrachten, ob ich etwa mich um ein Nößel irren möchte; und so wirst du die Tabellen mit dem Vorrath übereinstimmend finden.

[292] Außer den beyden gewöhnlichen Gästen haben wir noch Niemand zu Tische gesehen. Lorzing hat das Buchstaben Kästchen abgeliefert, welches sehr schön gerathen ist. Dafür soll er auch auf den Truthahn eingeladen werden.

Mit der Elsermann und Deny war ich am grünen Donnerstag zu beyderseitiger großer Erbauung in den Treibhäusern. Und nun muß ich theatralische Neuigkeiten melden, weil bey diesem beweglichsten aller Wesen immer etwas neues und unerwartetes vorgeht.

Erstlich also ist heut Helene, welche Oper Mittwoch wiederholt wird. Sonnabend Emilia Galotti, wozu der Elsermann ihr weißes Atlaskleid fertig ist, über das sie große Freude hat. Nun sind wir daran, ihr das sie große Freude hat. Nun sind wir daran, ihr noch ein ächt italiänisches Morgenkleid zu den ersten Scenen zu erfinden und zuzurichten. Von Hofe her werden sich auch einige Tunikas einfinden, damit das Einsiedelsche Stück recht zum Glanz gelange. Es wird sich aber verzögern, bis du zurückkommst.

Haide hat um seine Entlassung gebeten und hat sie erhalten. Er geht mit vortheilhaften Bedingungen nach Wien, worüber denn der Nachwuchs höchlich erfreut ist. Reinholds gehen auf Michaeli ab. Es war an ihnen nichts zu halten. Übrigens hat sich von Truppen und Einquartirung nichts merken lassen. Das einzige, was uns innerlich beunruhigte, war, daß der Frau Herzogin Mutter Durchlaucht drey bis vier Tage bedeutend krank waren. Nun aber hat sichs [293] wieder gegeben und baldige völlige Herstellung ist zu hoffen.

Unser ganzes Haus befindet sich wohl, August gloriirt über seinen Ritt nach Erfurt, von welchem die Reiter schon vor Tische wieder zurück waren. Er hat sich gestern in einem neuen Starostenkleid gebrüstet.

Über das gute Wetter, das die vergangene Woche anhaltend war, haben wir uns besonders um deiner Reise willen gefreut. Jetzt scheint es wieder ein wenig. Wir wünschen die beste Witterung zur Frankfurter Messe und allem Zubehör; empfehlen uns allen Freunden, besonders der Frau Syndikus Schlosser, bitten um ein paar Zeilen manchmal und wüßten wenig mehr zu sagen.

Der Brief aus Eisenach ist zur rechten Zeit angekommen. – Mittwoch werden die Damen das erstemal wieder bey mir zum Frühstück seyn. Bey Mad. Schopenhauer war es ganz unterhaltend. Das junge Bertuchische Paar fand sich daselbst ein. Demoiselle Bardua hat mich nochmals zu mahlen angefangen.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1807. An Christiane von Goethe. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7E5E-4