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An Carl Ludwig von Knebel

Rom d. 21. Dec. 87.

Du bist gar freundlich lieber Br. daß du mir oft schreibst, deine Briefe erfreuen mich sehr. Laß nicht ab, mich auch durch dieses Band fest an euch zu halten.

Wie sonderbar kommt es mir vor, dich in meinem Garten zu dencken, in denen niedrigen Zimmerchen, wohl eingepackt und kalfatert, indeßen ich in einem hohen Saal, fast ohne Feuer, eines andern Himmels[310] genieße. Möge dir es recht wohl seyn. Du hast doch die Vorfenster eingesetzt und dich auch mit Teppichen verwahrt?

Die vorige Woche hab ich noch eine Wandrung in die Gebürge hinter Rom mit einigen Freunden angestellt. Es waren unglaublich schöne Tage. Wir gingen noch einmal die Gegend von Fraskati biß Nemi durch und stiegen sogar auf den Monte Cavo. Alles ist Vulkanisch und die Gegend die manigfaltigste die ich kenne. Um Neapel und Catania wo andre herrliche Gegenstände sind, ist nichts dergleichen, so kompendieus und zierlich. Jene gehen mehr ins Weite. Es ist eine Welt für den Landschaftsmahler.

Ich halte mich immer ernsthafter an die Kunst, mit der ich zeitlebens nur gespielt habe und fühle erst was Gelegenheit und Unterricht einem eingebohrnen Talente, einer dringenden Neigung aufhelfen. Es versteht sich daß ich bey meinen Jahren in der Ausführung zurückbleiben muß, in ächter, bestimmter Kenntniß will ich wenigstens so weit vorwärts als möglich.

Meine Kenntniß der natürlichen Dinge hilft mir sehr fort. Es ist unsäglich wie die Alten der Natur, und mit welchem großen Sinn sie ihr gefolgt sind.

Ich hoffe noch einige Zeit zu gewinnen, denn es wäre sehr schmerzlich wenn ich jetzt abbrechen sollte, da ich soweit vorwärts gegangen bin. Auch glaube ich, vorerst mögt ihr mich und könnt mich wohl entbehren. [311] Ich lebe ganz einsam mit meinen Hausgenoßen, Kayser ist bey uns und thut uns wohl. Die Woche seh ich Angelika zweymal, es ist das beste Wesen von der Welt. Man hat keinen Begriff von einem solchen Talent, mit solcher Einfalt, Herzensgüte und ächter Bescheidenheit. Übrigens widersteh ich allem Andringen der sogenannten großen Welt. Ich will auch keine Stunde um der Menschen willen versäumen, die mir nichts geben können und denen ich nichts geben kann. Sie haben Fremde genug die Visitenbillets abgeben, einen Platz bey Tische und am Spieltisch einnehmen. Den Commandeur Dolomieu habe ich kennen lernen. Er hat viele und gute mineralogische Kenntnisse. Der junge Camper ist auch hier, ein fähiger, unterrichteter Mann, lebhaft und fahrig. Zimmermann von Braunschweig ist auch angekommen, ich hab ihn noch nicht gesehen. Was kommt nicht alles nach Rom.

Nach Weimar ist die schöne Gore gekommen, die dir doch auch wohl in die Augen gestochen hat.

Lebe wohl. Grüße die Freunde. Gedencke mein.

G.


Ich erhalte noch deinen Brief vom 23. Nov. mit dem Briefe Batschens. Tausend Danck.
[312]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1787. An Carl Ludwig von Knebel. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7E7E-B