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An Christian Gottfried Daniel Neesvon Esenbeck

[Concept.]

[27. März 1826.]

Ew. Hochwohlgeboren

konnten längst Gruß und Sendung wieder einmal von mir erwarten, aber ich stecke so tief in Briefschulden daß ich mit dem besten Willen nur wenige Procente nach und nach abtragen kann.

Und nun will ich gleich mit einer Frage anfangen: Sie verlangten vor einiger Zeit die Copie einer Tafel aus dem kostbaren Pinuswerke; ich finde nicht gleich die Stelle Ihres Briefes und ersuchen Sie deshalb um erneute Kenntniß. Welche Tafel ist es? und wäre noch jetzt eine Copie brauchbar? Der einzige Künstler, der sie hier leisten kann, ist eben unbeschäftigt, und die Jahrszeit erlaubt auf der Bibliothek zu arbeiten. In das Haus durft ich den band nicht abgeben.

Hiezu füge noch eine Bitte um einige Abdrücke so der Goethea, welche ich möchte illuminiren lassen; die in meinen Händen noch schwarz befindlichen sind zwar auf schönes Papier das aber trinckt.

An unseres Fürsten Jubelfeste hatt ich mein Haus mit mancherlei Emblemen verziert, diese gaben [335] natürlich vielfachen Sinn und es entsprang manche Frage, Deutung und Streit. Ich, machte mir den Spaß einige, durch Stich und Illumination vervielfältigte Bilder zu commentiren; hier ein Paar, es sind überhaupt achte die ich nach und nach übersende.

Haben Sie die Güte mir von Zeit zu Zeit Nachricht von Ihrer Thätigkeit zu geben. Ich darf diesen Sommer auf ruhige Monate hoffen und habe denn doch manches was ich mittheilen sollte.

Ein sehr schöner Brief vom Grafen Sternberg liegt auch noch unerwidert.

In Witterungsbetrachtungen bin ich diese ganze Zeit her nicht säumig gewesen; was ich beobachtet und nach meiner Art gedacht, möcht ich, auch wohl überliefern.

Das Anerbieten meiner sämmtlichen Werke wird nun auch bald erscheinen; ich empfehl es Ihrer Aufmerksamkeit.

Unsere Cölner Fastnachtsfreunde kann ich dießmal nicht loben, das Programm war nicht gut erfunden und viel zu abstract, auch verdient der gute Gruithuisen eine solche Behandlung nicht. Was er gesehen und mittheilt ist aller Ehren werth, und man sollte ihm die Freude lassen, es nach seiner Art zu commentiren und zu erklären. Ein jeder darf ja die Bemühungen des fleißigen Mannes auf eigene Weise benutzen.

[336] Seit May vorigen Jahrs wachsen wieder frische Pflanzen des Bryophyllum calycinum vor meinen Augen auf. Nach meiner Art, die sich eine symbolische Monographie liebt, macht mir die Betrachtung derselben viel Vergnügen; ich will suchen, meine Gedancken darüber und dabey ordnungsgemäß aufzuzeichnen. Eine der früheren mehrjährigen Pflanzen ist vor'm Jahr reichlich zur Blüthe gekommen und die älteren Stengel-Blätter brachten zugleich in der Luft hängend, muntere frische Pflänzchen hervor. »Alles in Einem und aus Einem« glaubt ich mit Augen zu sehen. Ich muß endigen sonst möcht ich in's Abstruse gerathen.

Weimar den 24. März 1826.

Doch will ich nicht schließen, ohne auszusprechen, daß mir Purkinje durch sein zweytes Bändchen viel Freude gemacht hat. Die Sicherheit seiner Vorschritte ist bewundernswerth.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1826. An Christian Gottfried Daniel Neesvon Esenbeck. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7E83-E