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An Christian Daniel Rauch

Lassen Sie mich nun, theuerster Mann, von Künstlern und Kunstangelegenheiten das weitere verhandeln:

[141] Unsere junge Facius, die gewiß unter Ihren Augen am meisten gewinnen und zunehmen kann, bleibe Ihnen wie bisher empfohlen. Nach Verlauf des Winters wird sich ja ergeben, was für sie und einen längern Aufenthalt in Berlin weiter geschehen kann.

Der junge Meyer hat, wie Sie nun schon bemerkt haben, recht hübsche Anlagen; da er aber bisher ganz naturalistisch, ohne eines gründlichen Unterrichts zu genießen, verfahren ist, so wird er in Berlin für die erste Zeit auf genauere Kenntniß des menschlichen Körpers, aus inneres Verständniß der Glieder, die er von außen darstellen will, geleitet werden und Sie ihn deshalb am besten dirigiren können, wenn Sie ihn auch in Ihr Atelier aufzunehmen nicht im Fall wären. Er ist an Herrn Professor Lichtenstein adressirt und mit diesem könnte deshalb wohl auslangende Rücksprache genommen werden.

Von Herrn Brandt habe ich immer den besten Begriff gehabt und nur an ihm eine gewisse Stetigkeit feiner Kunstleistungen vermißt; wenigstens bey der Medaille war zu bemerken, daß er das Vorliegende nicht sowohl zu bessern, als vielmehr immer etwas ganz Anders zu machen geneigt war; da denn freylich zuletzt ein höchst Lobenswürdiges, aber gewissermaßen Unerwartetes zum Vorschein kam.

Sie kennen sein Verfahren Schritt vor Schritt und wissen es daher genauer zu beurtheilen. Hat er, wie gegenwärtig der Fall ist, ein würdiges Vorbild, [142] von dem er nicht weichen noch wanken darf, so wird er gewiß etwas ganz Vorzügliches leisten und sich dabey wohl selbst zu eigner Entschiedenheit ausbilden. Was Sie mir irgend von seinen Arbeiten gefällig mittheilen mögen und können, soll mich aus eine höchst angenehme Weise von den Fortschritten Ihrer dortigen großen Anstalten überzeugen.

Daß ferner Herr Tieck in angemessener Thätigkeit fortfährt, ist seinem schönen entschiedenen Talente ganz gemäß. Könnten Sie mir eins der bemerkten Modelle im Abguß zusenden, so würde Gelegenheit finden, meinen guten Willen in Empfehlung solcher Arbeiten zu bethätigen.

Daß der Tod des Herrn v. Bethmann der Ausführung jener Statue nicht, wie ich befürchten mußte, gleichfalls schädlich, ja tödtlich sey, scheint mir aus Ihren Worten, welche die Ursachen der Verzögerung angeben, klar hervorzugehen; und es sollte mir freylich höchst angenehm seyn, in diesem Denkmal zugleich ein Zeugniß Ihres Kunstverdienstes und Ihres Wohlwollens zu erleben.

Daß so viele auf einander folgende Gußarbeiten diese Kunst nach und nach in Berlin sehr hoch steigern müßten, war vorauszusehen; es erfüllt sich aber im vollsten Maaße. Die Bestrebungen des Herrn Beuth sind mir durch die Freundlichkeit des werthen Mannes immerfort bekannt geblieben. Ich verdanke ihm die anmuthigsten Abgüsse einiger Terracottas und einiger [143] Figuren aus der Vergötterung Homers. Haben Sie doch ja die Güte, mir auch manchmal irgend ein Kleines, welches in der Kunst niemals eine Kleinigkeit ist, gefällig zuzusenden zu einigem Trost für so viele Entbehrungen.

Nun aber von etwas Colossalem zu reden, so gestehe ich, daß ich den Kopf des Antinous von Mondragone, wie ihn Herr Kohlrausch zurückließ, gar gern besessen hätte. Sagen Sie mir aus folgende Frage ein trauliches Wort: Bey Ihren großen und herrlichen Besitzungen kann Ihnen dieser Kopf nicht wohl von solcher Bedeutung seyn, wie er mir wäre; könnten Sie mir ihn abtreten und um welchen Preis? Wo steht wohl das Original gegenwärtig? Ich habe es noch in Mondragone an Ort und Stelle gesehn und verwahre eine gelungene Zeichnung von Bury bis zum Maaß eines natürlichen Menschen verkleinert. Verzeihen Sie dieses Anmuthen, aber ich darf wohl sagen, es ist der einzige wahre Genuß der mir noch übrig blieb, mich an plastischer Kunst zu erquicken. Ich verdanke neuerlich den dortigen Anstalten die Abdrücke der Stoschischen Sammlung, die uns bequem in jene Zeiten versetzen, welche wieder herbeyzurufen die besten Kunstgeister unsrer Zeit beflissen sind. Und so erlauben Sie mir noch eine Frage: Wäre nicht irgend ein Abguß eines Theils Ihrer Basreliefe am Blücher'schen Monument zu erlangen?

Hier schließe ich ab, da unser Freund Alfred [144] Nicolovius so eben nach Berlin zurückkehrt. Die schönsten Empfehlungen an die werthen Freunde; die besten Grüße Ihrer liebwerthen Tochter und die Versicherung treuster Anhänglichkeit und Theilnahme.

unwandelbar

Weimar den 3. November 1827.

J. W. v. Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1827. An Christian Daniel Rauch. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7E98-F