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An Friedrich Schiller

Mir wird ich gestehe es gern, jeder Zeitverlust immer bedenklicher und ich gehe mit wunderlichen Projecten um, wenigstens noch einige Monate dieses Jahres für die Poesie zu retten, woraus denn aber wohl schwerlich was werden könnte. Verhältnisse nach außen machen unsere Existenz und rauben sie zugleich und doch muß man sehen wie man so durchkommt, denn sich, wie Wieland gethan hat, gänzlich zu isoliren ist auch nicht rathsam.

[114] Ich wünsche daß Sie an Ihrer Arbeit möglichst fortfahren. Die erste Zeit da uns selbst die Idee noch neu ist, geht immer alles frischer und besser.

Ob ich vor Ende dieses Monats kommen kann? weiß ich nicht zu sagen. Der Prinz ist zu mir ins Haus gezogen und außerhalb sieht es auch ziemlich unruhig aus, da wir hier auf alles eher als auf den Empfang eines Königs eingerichtet sind.

Um nicht ganz müßig zu seyn habe ich meine dunkle Kammer aufgeräumt und will einige Versuche machen und andere wiederholen und besonders sehen, ob ich der sogenannten Inflexion etwas abgewinnen kann. Eine artige Entdeckung habe ich gestern, in Gesellschaft mit Meyern gemacht. Sie wissen vielleicht daß man erzählt daß gewisse Blumen im Sommer bey Abendzeit gleichsam blitzen, oder augenblicklich Licht ausströmen. Dieses Phänomen hatte ich noch niemals gesehen; gestern Abend bemerkten wir es sehr deutlich, an dem orientalischen Mohn, der vor allen andern Blumen eine gelbrothe Farbe hat. Bey genauer Untersuchung zeigte sich aber daß es ein physiologisches Phänomen ist, und der scheinbare Blitz das Bild der Blume mit der geforderten sehr hellgrünen Farbe ist. Keine Blume die man gerad ansieht bringt diese Erscheinung hervor, wenn man aber aus dem Augenwinkel hinschielt, so entsteht diese momentane Doppelerscheinung. Es muß dämmrig seyn, so daß das Auge völlig ausgeruht und empfänglich ist, doch [115] nicht mehr als daß die rothe Farbe ihre völlige Energie behält. Ich glaube man wird den Versuch mit farbigem Papier recht gut nachmachen können, ich will die Bedingungen genau merken, übrigens ist das Phänomen wirklich sehr täuschend.

Ich lege den Sammler bey und wünsche daß der Spaß indem er nun beysammen ist, Sie wieder unterhalten möge. Gedenken Sie dabey der guten Stunden in denen wir ihn erfanden.

Es ist wahr barg Vohs Miene macht wegzugehen, ich berufe mich aber auf den Contract, der noch zwey Jahre dauert.

Leben Sie wohl und nutzen die 14 Tage bis wir uns wieder sehen so gut als möglich. Ich will zufrieden seyn wenn ich nur etwas davon bringe. Indessen habe ich angefangen Pyrmonter zu trinken. Grüßen Sie Ihre liebe Frau und empfehlen ihr meine Julie.

Weimar am 19. Juni 1799.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1799. An Friedrich Schiller. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7EA1-A