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An Carl Friedrich Zelter

Du hast wohl recht, mein würdigster Freund, daß es eigentlich keine ununterbrochene Correspondenz giebt, wenn man nicht klatscht, und da das unser Fall nicht ist, so möchte es wohl natürlich seyn, wenn wir eine ganze Weile nichts von einander hören. Die Resultate sind denn auch hinterdrein wieder so bedenklich, daß man sie kaum auszusprechen wagt, da man den [287] Conclusionen ohne Prämissen sehr selten Beyfall versprechen darf.

Die Gegenwart der Herrn Schadow und Weber hat mich mit Berlin in nähern Rapport gesetzt, denn durch persönliche Mittheilung und freundliches Gespräch kann uns auch ein entfernter Zustand näher gebracht werden. Tausendmal hab ich deiner gedacht, wie du in einem solchen Meere auch persönlich schiffest, schwimmest, badest und watest.

Das Heftlein vom Rhein und Mayn, Kunst und Alterthum wird nun auch bald zu euch gelangen. Ich habe bey'm dreyzehnten Bogen abgebrochen, wie Scheherazade. Wenn ich die Bedeutung solcher Blätter früher erkannt hätte; so würde ich das ganze Geschäftlein abgelehnt haben, auch bin ich nur nach und nach hinein verführt worden und so mag es denn auch dahin fließen. Dagegen muß ich dankbar erkennen, daß ich ohne diese dringende Nöthigung niemals weder dem wichtigen Punct der Kunsterhaltung durch die barbarische Zeit hindurch, noch auch den Eigenthümlichkeiten nationeller und provinzieller Wiederherstellung Aufmerksamkeit hätte schenken können. Es ist da viel Zeug unserer geläuterten Sinnlichkeit zuwider, das man nur durch den Begriff zu etwas machen kann, denn das Absurde freut uns auch wenn wir uns darüber aufklären.

Der Divan ist angewachsen und stark. Die Dichtart, die ich ohne weitere Reflexion ergriffen und geübt [288] habe, hat das Eigene, daß sie sonst, wie das Sonett dem Gesang widersteht; auch ist es merkwürdig genug, daß die Orientalen ihre Lieder durch Schreiben, nicht durch Singen verherrlichen. Indessen ist es eine Dichtart, die meinem Alter zusagt, meiner Denkweise, Erfahrung und Umsicht, wobey sie erlaubt, in Liebesangelegenheiten so albern zu seyn, als nur immer die Jugend.

Hierbey ein allenfalls singbares Lied.- – Mit dem besten Lebewohl!

Weimar d. 11. März 1816.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1816. An Carl Friedrich Zelter. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7ED3-7