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An Luise Seidler

Nicht einen Augenblick will ich säumen, mit den schnellsten Worten zu sagen, daß Sie mich durch Übersendung des Basreliefs in die größte Bewegung und Betrachtung versetzt haben! Jetzt bedarf es nicht mehr zu vergnügtesten Stunden; bisher wiederholte ich nur immer das Lied:

Der Vorhang rührt sich hin und her
Bey meiner Nachbarin etc.

deßhalb auch zuletzt eine Ortsveränderung stattfand. Wo aber Ihr blauer reichlich ausgebildeter Streifen, auf blaßgelbem Grunde, sich herrlich ausnimmt, rathen Sie wohl nicht. Auf dem rechten Ufer der Saale, im Erker der Tanne, wo es wirklich schöner ist, als man es sich denken darf, da bewirthen Sie mich und meine Freunde mit der schönsten Gabe, wofür Ihnen der wärmste Dank entrichtet wird. Wie heute früh bey'm Gläserklang in Gesellschaft von hübschen jungen Leuten geschah. Die hellen, mitunter sonnenreichen Stunden des Tages verbringe ich auf dieser Zinne, wo des letzten Camsdorfer Bogens Wasser immer lebhaft unten rauscht. Nur die Nacht über wohne ich in der alten Nachbarschaft. Gleich jetzt er lebe ich den schönsten Sonnenuntergang. Mehr setze ich nicht hinzu, damit dieses Blatt nicht säume. In wenigen Tagen mehr.

Jena, den 12. Februar 1818.

Goethe. [47]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1818. An Luise Seidler. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7ED8-E