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An Johann Friedrich Heinrich Schlosser

Lange leben, mein theuerster Freund! heißt eigentlich viele erleben und überleben; die Ersten fordern und auf für ihre Bildung zu sorgen, die Zweyten an der Geschichte ihrer Bildung zu sorgen, die Zweyten an der Geschichte ihrer Bildung und Wirkung uns zu erbauen. Die Nachricht von dem Hinscheiden Ihrer würdigen Frau Mutter traf mich über fortwährender Betrachtung der Verdienste meines würdigen, vierzigjährigen Freundes und Mitarbeiters, Staatsministers von Voigt, von dessen bedeutungsvollem Leben ein junger Freund und eine wahrhaft erfreuliche Erinnerung aufbewahrt. Das beyliegende Heft werden Sie gewiß mit Theilnahme durchlesen.

[147] Und so war mir denn auch gleich die Persönlichkeit und der Lebenswandel Ihrer würdigen Frau Mutter, in so fern es mir bekannt geworden, gegenwärtig; ich erinnerte mich dessen was sie mir von den französischen traurigen Zeiten erzählte und wie mir eigner Besonnenheit sie mir von jenen Zuständen Rechenschaft gab, wo eigentlich jeder friedliche Bürger die Besinnung verlieren müßte.

Im vielfachsten Sinne wird Ihnen dieses Andenken gesegnet seyn, wie ich so oft auf meinem Lebenswege an Denk- und Handelsweise meiner Mutter, an ihren Muth und Glauben kräftig erinnert werde. Möge Ihnen und den theuren Ihrigen, denen ich mich bestens empfehle, alles Gute gerathen und gedeihen. Meine Kinder sind nach Berlin, um sich in den Glanze der Königstadt zu sonnen. Mein Enkel gedeiht und ich selbst befinde mich besser als seit langen Zeiten. Lassen Sie manchmal hören wie es Ihnen allerseits ergeht, und erlauben daß ich in kleinen und größern Angelegenheiten mich an Sie wende. Den Cassevorrath haben Sie die Gefälligkeit vorerst an sich zu behalten.

Zugleich vermelde daß das herrliche Bild glücklich angekommen, obgleich nicht ohne Gefahr verderbt zu werden. Bey sorgfältigster Packung konnte man einen Umstand nicht voraussehen, der sich unterwegs ereignet hat, und welchen ich umständlich nächstens melde, weil in solchen Dingen niemand auslernt. Diese Geschichtserzählung [148] so wie die Medaille für Herrn Schütz erfolgt mit nächster fahrender Post.

Mich angelegentlichst empfehlend

treulichst

Weimar den 17. May 1819.

J. W. v. Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1819. An Johann Friedrich Heinrich Schlosser. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7F2B-C