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An den Herzog Carl August

Unterthänigstes Promemoria.

Bey meinem Aufenthalte in Jena habe ich die wiederhohlten Klagen über das einreisende Landsmannschafftliche Wesen vernehmen müssen, und ich binn auf das dringenste veranlasst worden, höchsten Orts deshalb Vorstellung zu thun.

Obgleich eine nur geringe Zahl der Studirenden als Urheber und eigentliche Triebfedern dieses Unwesens angesehen werden können; so ist doch bereits der gröste Theil der Studirenden theils verführt, theils gezwungen worden sich in solche Verbindungen zu begeben, und die gegenwärtig noch freyen und wohl gesinnten, gehen täglich gut denckende Professoren an, mit der Bitte, daß Anstalten getroffen werden mögten, sie für der Zudringlichkeit der übrigen zu schützen, damit sie nicht auch genötigt seyn mögten, dem Strome zu folgen.

Ein großer Theil der Studirenden ist ietzo in den Ferien abwesend, kommen diese zurück und die neuen akademischen Bürger treten zugleich ein, eh eine Vorkehrung getroffen ist; so wird das Übel immer stärcker und unübersehlicher.

Der iezige Prorecktor Hennings ist ein guter aber schwacher Mann, das Concilium arctius besteht aus den beyden Schmidt, Gruner und Wiedeburg und diese [223] zusammen werden wohl schwerlich eine Resolution fassen, die dem Übel steuern könnte.

Man bittet daher um höchste Hülfe.

Man hält für den Moment für das Beste: wenn nur Commissionsweise, ad hunc actum, noch einige Glieder dem conc. arct. zugesellt würden, und wenn sodann der Prorecktor angewiesen würde, mit diesem verstärckten Conciolio gegen die Landsmannschaften zu würcken.

Man hält für nötig alle diejenigen, welche der Landsmannschafftlichen Verbindungen verdächtig sind und welche von den Pedellen gar sicher angegeben werden können, vorkommen zu lassen, und solche ohne Untersuchung und ohne weiteres abzulegendes Bekänntniß dahin zu bedeuten, daß sie eidlich anzugeloben hätten, wenn sie sich in einer solchen Verbindung befänden, daß sie selbige sogleich verlassen, und niemals wieder darein sich begeben wollten; befänden sie sich nicht darinne, so hätten sie nur das Letzte anzugeloben. Man könnte ihnen ankündigen, daß man die Widerspänstigen und Übertreter mit Strafen ernstlich anzusehen nicht länger säumen würde.

Ein thätiger Porecktor würde dieses von selbst thun ohne anzufragen, allein der gegenwärtige muß in Bewegung gesetzt werden.

Man verspricht sich von einer solchen Operation wenigstens für den Moment alles Gute, diejenigen welche ungern in die Landsm. Verbindungen getreten, [224] werden frey, die ietzo noch übrigen Freyen beruhigt und die neuen bleiben ohne Anfechtung, alles wenigstens für den Moment. Man würde sich freylich sehr betrügen wenn man glauben wollte, daß eine solche Operation nachhaltig seyn könne, allein für den Augenblick hält man sie höchst nötig um Lufft zu gewinnen und hofft, daß denen höchsten Herrn Erhaltern gefällig seyn werde, eine Einrichtung zu treffen, wodurch in der Folge durch anhaltende Aufmerksamkeit die Rückkehr des Übels verhindert werde.

Was endesunterzeichneter, bey seinem letzten Aufenthalte in Jena, über die Landsm. Verbindungen gehöret, kommt mit dem, was die Akademie berichtet, vollkommen überein.

Man sieht die nunmehr geschehene Operation als den Anfang einer Cur an, als eine Vorbereitung, die nur durch das was darauf folgt heilsam werden kann.

Man wünscht vorerst ein geschärftes gnädigstes Rescript gegen die L. Verbindungen, damit die Studiosi sehen, es sey nicht allein der Betrieb der Akademie, oder einiger Professoren, sondern Serenissimi und der übrigen höchsten Erhalter Ernst.

Wenn Serenissimus noster nicht gegenwärtig, aus landesherrlicher Gewalt und als Rector magnificentissimus, ein solches, durch die Akademie anzuschlagendes, Rescript gedachten Innhalts ergehen zu lassen, sich entschliesen wollten; so würde sich die eilige Communication mit den übrigen Höfen desto nothwendiger machen.

[225] Diese Communication wäre nun auch, ohne Aufschub, wegen der Hauptsache anzutreten, ein Projeckt in den allgemeinsten Terminis zu kommuniciren und auf baldige Rescripte deshalb an die Akademie und auf übereinstimmende Antworten dringend anzutragen. Ist das verstärckte Conc. arctius einmal instituirt wird man bald die gedeihlichen Folgen davon spüren. Inzwischen könnten Seren. noster durch ein gn. Rescript der Commission, welche gegenwärtig geendigt hat, und ohne neuen Auftrag nicht weiter beysammen bleiben kann, unter Bezeugung Ihrer Zufriedenheit über das bisher geführte Geschäfft befehlen, sich noch ferner mit genauer Aufsicht auf das Landsmannschaffts Wesen zu beschäfftigen, überall Erkundigungen einzuziehen und sich die schädlichen Glieder der Akademie genau bekannt zu machen, damit in der Folge desto sicherer gegen das Übel gewürckt werden könne.

d. 1. Juni 86.

J. W. Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1786. An den Herzog Carl August. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7F3C-8