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An Christoph Ludwig Friedrich Schultz

Ohne Säumen, verehrter Freund, übersende, was der junge bedeutende Mann von sich selbst geschrieben, welches Sie auch ohne meine Bitte beherzigen werden. Eine Stelle, die Sie auch ohne mein Vorstreichen gleich würden bemerkt haben, mit dem ausführlichen Commentar in dem zweyten Bande Seite... müßte uns für ihn einnehmen, ja wir erkennen daran einen jungen Alliirten, dem man wohl Ursache hat auf- und fortzuhelfen.

Wenn ich jemand aus eigener Macht und Gewalt, aus reiner Überzeugung so ausspricht und es darauf hin wagt, ob er sich bedeutende, einflußreiche Männer, mit allem Anhang und in so vielen Beziehungen zum Feinde mache, der ist wohl werth, daß man ihn beschütze und sorge, daß ein, auf unserer Seite freywillig Entsprungener auch sich dergestalt entwickeln könne, daß er in der Folge, kräftig und unabhängig, zum wahrhaften Besten unseres Zustandes, wenn er anders noch zu retten ist, mit auftreten dürfe, daß er eine würdige Rolle auf dem Schauplatz übernehme, den wir vielleicht schon verlassen haben.

Wirken Sie für ihn, mein Bester, oder vorsichtig, denn es kann nicht fehlen, daß man seinen Vorschritten da und dort Hindernisse in den Weg zu legen suche. Er wird nach Dresden gehen und von da bey mir [210] einsprechen. Da ich ihn genau kenne, weil er sich durchaus so rein ausspricht, so hoffe von persönlicher Zusammenkunft viel Gutes, weil die kleinen obwaltenden Differenzien sehr leicht auszugleichen und eine vollkommene Übereinstimmung auf Zweck und Schritt bezüglich zu erlangen ist. Können Sie mir deshalb in einiger Zeit Aussicht und Hoffnung geben, so wird es höchst erwünscht seyn.

Zu welcher ruhigen, heitern, liebevoll durchdringenden Kritik er sich herangehoben habe, zeugt sein Gutachten über Olfried und Lisena, das ich von ihm verlangte; dem ersten Gesang hat er schon alles abgewonnen, was von den neun übrigen zu sagen ist.

Noch füge die Bemerkung bey, daß die Reise eines so wohldenkenden und so schön gebildeten Mannes der guten Sache gewiß förderlich seyn wird, indem er, entschieden und munter genug, seine Denkweise mitzutheilen gewiß nicht ermangeln wird.

Das Heft Kunst und Alterthum ist abgeschlossen, Morphologie und Naturwissenschaft zögert noch an den letzten Bogen. Alles folgt nach und nach.

In meiner entschiedenen Einsamkeit hab ich überhaupt vieles durch- und weggearbeitet, wozu die liebe, lebendige Gegenwart der theuren Berliner Freunde mich erst recht ermuthigte; auch genieße seit dieser Epoche, freylich mit großer Enthaltsamkeit und ordnungsgemäßem Leben, eines recht leidlichen Befindens.

[211] Möge ich das Gleiche von Ihnen hören! Abgegangen sind seitdem:

Den 7. August ein Brief retour mit einem Wunsch physiologer Farben.

Den 3. September Aushängebogen der entoptischen Farben.

Die Syps-Formen von hier und die Trippelische Büste von Weimar, für die plastischen Freunde.

Mit den treusten Wünschen und angelegentlichsten Empfehlungen.

treulichst

Jena d. 10. Sept. 1820.

J. W. v. Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1820. An Christoph Ludwig Friedrich Schultz. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7FA5-9