27/7491.

An Sulpiz Boisserée

Tennstedt den 29. August 1816.

Ihren letzten Brief, mein Werthester, welcher den 20. hier ankam, erwartete ich mit einiger Ungeduld: denn ob ich gleich voraus sahe wie es werden müsse; so wünschte ich doch alles recht ordentlich schwarz auf weiß, und mir die Nachricht davon. Glück zu denn! daß alles auf's beste gelungen ist.

Ich darf Ihnen nicht sagen daß ich Ihr Wollen, Thun und Absicht, seitdem wie ich es nähr kannte, immer redlich vor Augen gehabt und nicht ohne Sorge deshalb war; nun aber ist alles recht und gut, ob Sie gleich noch diese zwey Monate im Erwarten, und den größten Theil des nächsten Jahres durch Veränderung des Ortes und der Verhältnisse noch manches zu dulden und zu leisten haben, wird das alles doch den drey Verbundenen nicht schwer werden.

An dem zweyten Heft kann der Druck beginnen, so bald ich nach Hause komme. Ausgeben dürfen wir es aber nicht, bis Ihr neues Verhältniß ausgesprochen ist. Dann läßt sich, so ernstlich als schicklich, eine Segens-Formel intoniren, deren Inhalt Sie ganz richtig bezeichneten. Im Ganzen aber gehören wieder eigene Redewendungen dazu um die niederrheinischen, märchenhaften Aussichten des ersten Stückes auf eine schickliche Weise verschwinden zu lassen, ohne daß man [153] andere verletzt und sich selbst lächerlich macht; doch das soll wohl auch gelingen! wir schreiben einander öfter und da wird es an Motiven nicht fehlen.

Daß meine neuen Gedichte zur guten Stunde bey Ihnen ankamen und heilsame Wirkung thaten dazu wünsche ich mir Glück. Haben Sie Dank daß Sie mich es sogleich vernehmen ließen: denn als Dichter ist man gar oft im Fall in demselben Augenblick zu darben, wenn andere es an unsern früheren Erzeugnissen ergötzen.

Ich freue mich, daß Sie Zeltern bey Sich gesehen und wünsche Sie Beyde in Baden nunmehr beysammen. An meinem gestrigen Geburtstage ging Geheimerath Wolf und Hofrath Meyer zufällig Morgens ab, da ich denn den ganzen Tag meinen Grillen überlassen blieb und mich an die Eyckische Heilige, die mousselinenen Tulbände, Mayn-Aussichten, Pfirschen und Ananas halb traurig erinnerte. Doch müßte ich undankbar seyn wenn ich die schönen Epheubogen, die sich selbst in Heidelberg zeigen dürften, die reichen so Blumenkränze, Torten, Bretzeln und Nachtmusiken nicht rühmen wollte.

Vierzehn Tage werde ich noch hier ganz allein seyn; das Wasser leistet mir vorzüglich gute Wirkung. Freylich kann man von einem Besuche nicht fordern was ein längerer Aufenthalt wahrscheinlich gewährte.

Nun ersuche ich Sie aber mir vor allem andern[154] Nachricht zu geben wie es mit Ihrem Domwerke steht? und wie weit die angefangenen Blätter gediehen sind? auch wie Sie es mit dem Texte halten wollen? Denn dieses ist mir nun das Angelegentlichste, und mein Wunsch daß eine Lieferung bald erscheine. Es ist gerade der rechte Zeitpunct, der benutzt werden muß, wie ich aus vielen Zeichen weiß und deute.

Auch über deutsche Sprache, Poesie, besonders auch Geschichte, ist manches im Werk, welches ich alles gerne nach Kräften fördern will, wenn es auch nicht völlig nach meiner Überzeugung eingeleitet und geführt wird. Hören Sie von solchen Dingen; so lassen Sie mich Ihr eigenes und das allgemeine Urtheil wissen. Ich habe diesen Winter so viel vor daß bis Ostern ohne schmähliches Hinderniß der Dämonen, manches gethan seyn muß: denn eins drängt das andere.

Schließlich ermahne ich Sie Ihrer Gesundheit zu wahren: denn das worin Sie leben und was Ihnen bevorsteht, ist keine Kleinigkeit. Das Abentheuer will physisch und moralisch bestanden seyn.

Mehr setze nicht hinzu damit diese Blätter gleich abgehen.

Mögen Sie Ihnen zu guter Stunde begegnen!

treulich verbunden Goethe. [155]

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1816. An Sulpiz Boisserée. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7FAA-0