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An Jakob Friedrich von Fritsch

Hochwohlgebohrner Freyherr,
Insonders Hochzuverehrender
Herr Geheimderath,

Ew. Exzell. erlauben daß ich in dem Augenblicke, in welchem ich Rom verlaße, mein Andencken bey Hochdenenselben erneure.

Über drey Monate halte ich mich in dieser merckwürdigen Stadt auf, welche sich zweymal als das Haupt der Welt betrachten konnte und die uns jetzt von ihrer doppelten Herrlichkeit nur noch Trümmern aufweisen kann.

Ich habe, bey besonders günstigen Umständen, meine Zeit wohl benutzen können, und ohne mich in das Getümmel der Welt einzulaßen, habe ich nur erst diejenigen Gegenstände wohl betrachtet, die hier einzig sind und von denen man sich auswärts einen Begrif zu machen vergebens bestrebt.

Die erste Zeit eines hiesigen Aufenthalts geht ohnedies unter Staunen und Bewunderung hin, biß man nach und nach mit den Gegenständen bekannter und sich selbst gleichsam erst gewahr wird. Alsdann lernt man erst sondern, beurtheilen und schätzen. Doch bleibt am Ende die Masse des zu Betrachtenden allzugroß, die Aufmerksamkeit wird nur zu sehr vertheilt, es gehörte zu einer gründlichen Kenntniß daß [196] man mit mehr Ruhe und Sorgfalt ins Einzelne der verschiednen Künste, der Geschichte, der natürlichen Erscheinungen eingehen könnte. Und so findet man mit dem besten Willen und nach einem Aufenthalt, der soviel Mühe als Genuß gewährte, daß man eben wieder anfangen möchte, wenn man zu endigen gezwungen ist.

Wenigstens geht es mir so und Ew. Exzell. werden verzeihen, daß ich mit diesen Betrachtungen, die sich mir in dem Augenblicke aufbringen dieses Blat anfülle.

In einigen Tagen werde ich nach Neapel abgehen, wo mich die gegenwärtige Unruhe des Vesuvs ein merckwürdiger Naturschauspiel hoffen läßt, als das Carneval uns bis heute ein städtisches gegeben hat. Diese Lustbarkeit, welche einem Fremden gar bald abgeschmackt vorkommen muß, ist das Leben der Römer, ob man gleich auch daran bemerckt, daß die Kräfte dieser großen Stadt nach und nach abnehmen.

In der angenehmen Hofnung daß mir Ew. Exzell. Dero gütigen und freundschaftlichen Gesinnungen erhalten werden, mit der Bitte mich der Frau Gemahlinn bestens zu empfehlen unterzeichne ich mich mit besondrer Verehrung

Ew. Exzell.

ganz gehorsamsten

Rom d. 20. Febr.

Diener

1787.

Goethe. [197]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1787. An Jakob Friedrich von Fritsch. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7FD0-5