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An Christiane von Goethe

Vor allen Dingen will ich zuerst mein nächstes Bedürfniß melden, und dieses ist um Wein von meiner Sorte, denn Herr von Hendrich hat lieber keinen von dieser Art und ich habe mich die Zeit her theuer und unbequem behelfen müssen, weil ich vergaß früher darum zu schreiben.

Wenn ihr mir den zugerichteten Schweinskopf schickt, so vergeßt die Sauce nicht: denn hier ist dergleichen schwer zu haben; wie denn auch unser gewöhnliches Essen so wenig erfreulich ist als sonst. Die Freunde geben uns manchmal etwas zum besten. Da ihr uns nicht wollet der Pferde genießen lassen, so haben euch die Götter gestraft indem sie [14] nicht allein keinen neuen Schnee gesendet, sondern sogar den alten recht langsam, nach und nach, vor euren Augen in Wasser und Schmutz verwandelt.

Der gute Rabe ist hier. Ich wünsche, daß ihm mein Bild gelinge; die Stunden will ich ihm gern gewähren. Wir thun zwar hier nicht viel Bedeutendes, aber doch immer viel mehr als zu Hause, und ich werde manches Alte und Stockende las, wodurch sich aufs Frühjahr ein neues Leben hoffen läßt.

Heute ist Carl Knebels Geburtstag. Er wird 15 Jahr alt, und ist als Studiosus inscribirt worden. Dieses denkt er sich heute als eine besondere Lust, wird aber schon in der nächsten Woche ihm und seinen lieben Eltern zu mancher Verwicklung und Verwirrung gereichen. August zeigt sich bey dieser Gelegenheit recht brav, indem er diesem einheimischen Fuchs eine Richtung giebt die ihm vortheilhaft seyn kann.

Rabe hat uns manche Weimarische Geschichten erzählt, und wir sehen daraus, daß es weder auf Redouten noch Jagden sehr geziemend hergeht. Daß der Teufels Müller kein recht feines Mehl liefern würde, sah ich wohl voraus. Ich bin zufrieden, daß es nur nothdürftig durchgegangen ist, und doch sagen immer die Leute: »Warum giebt man dieß und das Stück nicht? Es ist ja auf allen Theatern gespielt worden.«

Das beykommende Zeichenbüchlein erbitte ich mir wieder zurück. Es sollte euch nur die Silhouetten[15] überbringen, die der jetzt anwesende Silouetteur ausgefertigt hat. Stoßt euch nicht an die weißen Läppchen und barbarischen Uniformen. Das kann nun einmal nicht anderes gemacht werden. Der Silhouetteur einmal nicht anders gemacht werden. Der Silhouetteur hat sehr viel zu thun, und wenn er nach Weimar kommt, wird ihn Fr. v. Schopenhauer, hoffen wir, auch beschützen. Laßt das Stammbuch einigen Personen sehen. Saget dieser Freundinn zugleich, daß sie den Aufsatz, wegen des Auspielens des Barduaschen Gemälds, nächstens erhalten soll.

Schreibe mir, was euch sonst begegnet, wie die Theater Vorstellungen ablaufen. Meine Absicht ist, heute über acht Tage, Dienstags den 22., zu Mittag bey euch zu seyn. Auf alle Fälle könnt ihr in der nähere vernehmen.

Sende auch von dem anderen Wein mit herüber: denn der hiesige geht zu Ende, und da wir nicht ohne Gäste sind, so erneut sich dieses Bedürfniß immer wieder.

Von einem Balle habe ich nichts vernommen. Freylich komme ich auch nicht leicht in Verhältniß mit Balllustigen. Doch wollen wir auch dieses dem Schicksal und seinem Dienern, den Studenten, überlassen. Lebet recht wohl.

Jena den 15 Januar 1811.

G. [16]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1811. An Christiane von Goethe. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7FD2-1