31/30.
An Friedrich Maximilian Klinger
[Concept.]
Es wäre unverantwortlich, mein verehrter Freund, wenn ich die sich darbietende Gelegenheit nicht benutzen wollte. Frau Gräfin Lieven wird Gegenwärtiges überbringen mit meinen allerbesten Grüßen.
Und so sag ich also vor allem daß Glück gehabt Ihro Majestät mehrmals aufzuwarten und im Zwiegespräch den großen Verstand und die klare Weltübersicht zu bewundern, ob sie sich gleich voraussetzen ließ. Ich genoß mancher bedeutenden Mittheilung, ja, ich darf wohl sagen, des ehrenvollsten Vertrauens.[26] Eine kostbare Porträtdose beschämte mich und so ist denn dieses bedeutende, friedliche Weltereigniß, nicht ohne mich günstig zu berühren, vorübergegangen.
Hiebey aber muß es mich vorzüglich erfreuen daß zwischen uns hiedurch ein Bündniß erneuert wird; denn indem wir uns in der Verehrung dieser herrlichen Dame begegnen, so schließt sich ein schönes, neues Verhältniß an das ältere und verjüngt uns beide. Vielleicht hören wir von nun an etwas mehr von einander. Vorläufig sende das Programm eines Maskenaufzugs den ich zu veranstalten befehligt war. Sobald die rhythmische Ausführung, wie sie zur Exposition der sämmtlichen Gestalten gesprochen worden, gedruckt ist, sende ich einige Exemplare. Aus der Epitome werden Sie schon sehen daß von nichts weniger als von einer weimarischen Poetik und leicht gezeichneten Kunstchronik die Rede war. So befahl es unsere aufmerksame Erbgroßherzogin und so habe ich es ohne Zaudern und Zweifel bearbeitet. Sie werden gewiß, früherer Zeiten sich erinnernd, nächsten und warmen Theil zu nehmen entstehen.
Daß mir, indem so manche Jahre im Gedächtniß wieder aufnahm, gar wunderbare Gedanken entgegen stiegen, läßt sich wohl denken, wobei mir jedoch am bedeutendsten erscheinen mußte, daß ich noch immer in demselben Ilmenthale mich hin- und herbewege, in welchem wir manchen guten Tag zusammen verlebten. Auch Sie haben fest an Ihrer Stelle gehalten [27] und was Sie sich einmal zur Pflicht gemacht treulich durchgeführt. Wie wunderlich müssen uns beiden die neueren Tage vorkommen, wo die meisten nur zur Norm ihrer Pflicht Eigendünkel und Widerspänstigkeit gegen jede Art von Ordnung anerkennen.
Das müssen wir nun geschehen lassen, so lange wir aber wirken, immer noch am Faden der alten Ordnung festhalten, damit wir uns auch noch am Ende gleich bleiben.
Möge Sie dieses Blatt in guter Gesundheit antreffen und ich bald auch durch Sie die erfreuliche Rückkunft Ihro Majestät in St. Petersburg vernehmen.
Das Beste wünschend.