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An Kaspar von Sternberg

Zuvörderst bedarf es also wohl keiner Betheuerung, daß ich mich oft genug nach Prag begebe, seitdem es für mich lebendig geworden und ich daselbst einen theuren, verehrten, theilnehmenden Freund zu besuchen habe; es geschieht dieß in guten Tagen und in schlimmen hat es auch nicht daran gefehlt.

Denn es bedurfte mancherley tröstlicher Aussichten vom 11. Februar an, wo sich mir eine schwere Krankheit ankündigte, bis heute zum 11. May, da wir einen frohen Tag begehen, die Genesung unserer herrlichen Großherzogin zu feyern. Gedenkt man nun, daß in jener Epoche auch unser Fürst von Zeit zu Zeit krankhaft bedroht war, so denkt man eine Reihe von geistigen und körperlichen Leiden, die kaum zu übertragen schienen; ich fand mich so gedrängt und gedrückt, als ich mich kaum je gefühlt.

Nun aber von Leiden und Sorgen befreyt, blick ich schon freyer in die Ferne. Die Nachricht von der Feyerlichkeit des 23. Decembers kam mir sehr bald zu, und ich sah mit Freuden eine der würdigsten Anstalten gegründet, eröffnet und in die zuverlässigsten Hände gegeben. Möge Glück und Segen so großes Unternehmen und so bedeutende Aufopferungen begleiten, und möge ich lange Zeuge seyn des Gedeihens so wohlgemeynter und kräftiger Bemühungen.

[41] Das erquickliche Schreiben vom 16. März kam gerade zur Zeit, da ich mich meiner Wiedergenesung erfreuen durfte und ich nach wenig, unterbrochener Thätigkeit wieder in alles eingreifen konnte, was mir oblag; die einigermaßen retardirten Hefte schließen sich ab und sollen nach und nach Rechenschaft geben, womit ich mich vergangenen Winter beschäftigt. Möge einiges davon auch Ihrem Zwecke nicht fremd seyn. Von Bonn und Berlin ist mir viel Gutes geworden, das ich durch eine wohlgemeynte Thätigkeit und redliche Theilnahme zu erwidern hoffe.

Freylich drängt sich von allen wissenschaftlichen Seiten gar mannichfaltiges auf uns ein, da denn oft die Frage entsteht, wie man sich davor retten soll, um seinem eigenen Daseyn treu zu bleiben. Möge mir auch dieses Jahr gelingen durch mündliche Unterhaltung glückliche und folgereiche Stunden zu genießen.

Auf's angelegentlichste mich empfehlend.

treulichst angeeignet

Weimar den 14. May 1823.

J. W. v. Goethe.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1823. An Kaspar von Sternberg. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8043-D