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An Christoph Ludwig Friedrich Schultz

So eben war Beykommendes in Begriff abzugehen, als Ihr werthes Schreiben bey mir eintrifft. Herr Hofrath Hirt erfreut mich durch seinen Besuch, daher nur schnell einige Worte. Aber- und abermals empfehl ich die beiden Aufsätze. Wenn wir dasjenige aussprechen was wir im Augenblick für wahr halten, so bezeichnen wir eine Stufe der allgemeinen Cultur und unserer besondern; ob ich mich selbst, oder durch andere zurechtweisen lasse, ist für die Sache selbst gleichviel, je geschwinder es geschieht desto besser. Ist doch nichts in der Welt was nicht eine Gegenrede erduldete. In unserm Falle ist das Eisen heiß und Zeit zu schmieden.

Ich habe Ihren Vortrag immer vor Augen und suche mich ihm zu fügen. In früheren Zeiten suchte ich nur an Freunden zustimmende Seite, da sich denn im Laufe des Umgangs die abstimmende oft von selbst zeigte, jetzt such ich die Differenz zuerst, damit die Einigkeit daraus hervorgehe. Es ist doch zuletzt alles eine Art von Sprache, wodurch wir uns erst [261] mit der Natur, und auf gleiche Weise mit Freunden unterhalten möchten. Diese haben nun etwa einen wenig abweichenden Dialect und da giebt es wohl einmal ein Mißverständniß, das aber wohl zu lösen ist wenn man sich eines gemeinsamen Idiodikons befleißigt.

Lassen Sie Sich ja die entoptischen Farben empfohlen seyn, ist man hier zu Hause, so genießt man der freyten Aussicht, mittlerweile die Unseligen sich mit polarisirten Schnellkügelchen herumtreiben. Das Seltsame ist, daß niemand begreifen will: die Wissenschaften seyen um Brauchbarkeit willen da, und doch schreyt jedermann nach dem Nützlichen.

Die Englischen Bücher erbitte mir sobald ich wieder an das Geschäft gehe, jetzt bin ich nach anderen Seiten hingezogen.

Unsern guten Meyer verlier ich für diesen Winter; ich bin seinetwegen sehr in Sorgen. Die Ärzte rathen ihm für ein hartnäckiges Übel die vaterländische Luft, und es ist immer ein böses Zeichen wenn einen diese Herrn auf Reisen schicken. Von Zeltnern habe ich den freundlichsten Brief. Haben Sie übrigens gefällig das Büchlein geheim.

Herrn Hirt's Gegenwart hat mir die Berliner Freunde und Zustände wieder sehr herangezogen; möge der Winter sich gegen uns leidlich betragen! und ein fröhliches Wiedersehn vorbereiten!

herzlich verbunden

Weimar den 24. September 1817.

Goethe. [262]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1817. An Christoph Ludwig Friedrich Schultz. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-806B-4