8/2583.

An Charlotte von Stein

d. 19. [- 21.] Febr. 87. Rom.

Dein lieber Brief vom 26. Jan. verdient wohl daß ich noch einige Worte mehr darauf sage, als neulich in der Carnevals Zerstreuung geschehn. Auch heute haben mich die Narren wieder recht herzlich müde gemacht und ich freue mich daß Morgen ein Ende wird.

Du willst mir wegen Sicilien, wegen eines längern Aussenbleibens nicht rathen; so muß ich es in deine Seele thun und was mein Schutzgeist sagt, will ich dencken es seyen deine Worte. Gedencke an mich wenn du allein bist. Da ich dich verlies hoffte ich auf den Umgang deiner Schwester für dich, die dir so viel ist. Gedencke mein und freue dich meiner frohen Rückkehr.

Nur zehen Bildchen sind in Rähmchen gebracht und soweit fertig daß ein Hannoveraner, der übermorgen abreißt, sie nach Teutschland mitnehmen kann. Er wird sie meiner Mutter bringen, von der du sie erhälst. Noch mehrere sind umrißen und recht interessante, [202] abstechende, die ich aber nicht mitschicken mag. Sie sollen dir auch erst lebhaft bunt entgegen kommen.

Zur Neapolitanischen Reise ist das schönste Papier gekauft und wir haben die festeste Intention brav zu zeichnen. Wenn es nur die Schönheit und Menge der Gegenstände zuläßt. Das Tagebuch der Reise schick ich ab so bald wir dort ankommen, du wirst nach diesem Brief nicht lange darauf zu warten haben.

Das Wetter fährt fort über allen Ausdruck schön zu seyn, heute war ein Tag den ich mit Schmerzen unter den Narren zubrachte. Es ist Neumond und ich konnte heute Abend, auf der Villa Medicis, die ganze dunckle Scheibe, fast mit blosen Augen und ganz deutlich durchs Perspecktiv sehn. Über der Erde schwebt ein Duft des Tags über, den ich nur aus den Gemählden und Zeichnungen des Claude kannte, das Phenomen in der Natur aber nie gesehn hatte. Nun kommen mir Blumen aus der Erde die ich noch nicht kenne und neue Blüten von den Bäumen. Wie wird es erst in Neapel seyn. Wir finden das meiste schon grün und das übrige wird sich vor unsern Augen entwickeln.

Der Vesuv wirft Steine und Asche aus und bey Nacht sieht man den Gipfel glühen, gebe uns die würckende Natur einen Ausguß der Lava. Nun kann ich kaum erwarten, biß mir auch diese Gegenstände eigen werden.

[203] Sage Herdern: daß sich meine botanische Hypothesen durchaus bekräftigen und daß ich auf dem Wege bin neue schöne Verhältniße zu entdecken.

Tasso wird mit auf den Weg genommen, allein von allen und ich hoffe er soll zu eurer Freude vollendet werden.

Wenn ich nur erst erfahre wie ihr Iphigenien aufgenommen. Ich habe sie gestern der Angelika vorgelesen und freute mich sehr über die gute Art wie sie das Gedicht empfand. Sie ist eine trefliche zarte, kluge, gute Frau, meine beste Bekanntschafft hier in Rom.

Kranz wird eine Schachtel an Seideln bringen, darin allerley für die Kinder und der Same für Klinkovström. Ein Paar leuchtende Steine von Bologna liegen unter deiner Adresse bey, mit einem Zettelchen wie sie zu behandeln sind. Eins habe ich vergessen sie müssen wohl für Feuchtigkeit bewahrt werden.


Aschermittwoche.

Nun ist der Narrheit ein Ende. Die unzählige Lichter gestern Abend waren noch ein tolles Specktakel.

Morgen gehe ich weg und freue mich auf das Neue, das unaussprechlich schön seyn soll. Ich bin wohl und hoffe in Neapel erst wieder Lust Rom auszusehen mir anzuschaffen. Lebe wohl. Grüße die deinigen. Ich muß endigen. Es dringt so vieles zusammen. Schreibe mir ja ich erhalte deine Briefe richtig. Wenn [204] mein Packet ankommt gedencke meiner in Liebe. Es sollen bald bessere Sachen nachkommen. Leb wohl du beste, Geliebteste.

G.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1787. An Charlotte von Stein. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-807D-B