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An Friedrich Schiller

Schon heute könnte ich ein besseres Schema einer künftigen Geschichte der Farbenlehre überschicken und es soll von Zeit zu Zeit noch besser werden. Wenn man die Reihe von geistigen Begebenheiten, woraus doch eigentlich die Geschichte der Wissenschaften besteht, so vor Augen sieht, so lacht man nicht mehr über den Einfall eine Geschichte a priori zu schreiben, denn es entwickelt sich wirklich alles aus den vor- und rückschreitenden Eigenschaften des menschlichen Geistes, aus der strebenden und sich selbst wieder retardirenden Natur.

Eines einzelnen Umstands muß ich erwähnen. Sie erinnern sich des Versuches mit einem gläsernen Cubus, wodurch ich so deutlich zeigte daß die senkrechten [33] Strahlen eben so gut verändert und das Bild aus dem Grund in die Höhe gehoben wird. Snellius, der die erste Entdeckung des Gesetzes der Brechung machte, erinnerte schon eben das; allein Huygens, der jene Entdeckung eigentlich bekannt machte, geht gleich über das Phänomen hinaus, weil er es bey seiner mathematischen, übrigens ganz richtigen Behandlung der Sache nicht brauchen kann, und seit der Zeit will niemand nichts davon wissen. Der perpendiculare Strahl wird freylich nicht gebrochen und die Berechnung kann nicht angestellt werden als bey den gebrochnen Strahlen, weil man sonst keine Vergleichung der Winkel und ihrer Sinus anstellen kann, aber ein Phänomen das nicht berechnet werden kann bleibt deswegen doch ein Phänomen, und sonderbar ist es daß man in diesem Falle gerade das Grundphänomen (denn dafür halte ich's), woraus alle die übrigen sich herleiten, bey Seite bringt.

Erst seit ich mir fest vorgenommen habe außer Ihnen und Meyern mit Niemanden mehr über die Sache zu conferiren, seit der Zeit habe ich erst Freude und Muth, denn die so oft vereitelte Hoffnung von Theilnahme und Mitarbeit anderer setzt einen immer um einige Zeit zurück. Nun kann ich, immer sachte fortarbeiten.

Möge das schöne Wetter und die Höhe des Barometers etwas zu Ihrem bessern Befinden mit beytragen, [34] ich sehne mich recht aus dieser Masken- und Theaterwelt zu Ihnen hinüber. An Böttiger will ich das bringen oder bringen lassen, er läßt sich seit einiger Zeit nicht sehen, seitdem er mir eine Art von tückischem Streich gespielt hat. Meyer ist fleißig und grüßt schönstens.

W. d. 24. Jan. 98.

G.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1798. An Friedrich Schiller. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8085-8