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An den Großherzog Carl August

W. d. 12. May 1789.

Vor einigen Tagen habe ich Ihnen, nach einer nicht zu entschuldigenden Pause, ein Brieflein gesiegelt und es dem Geheimen Rath Schmidt gesandt, wahrscheinlich erhalten Sie es mit diesem. Die schöne Zeit, die mich früh in's Thal lockt und recht zum Müßiggang einlädt, hat mich auch abgehalten Ihnen zu schreiben, besonders da alles um uns ganz stille ist, die Empfindungen sich wenig und die Begebenheiten gar nicht regen.

Arends bleibt noch immer aus und ich bin ein wenig verdrüßlich, weil ich ohne die Erwartung seiner, wohl mit Ihnen den nordischen Campus Martius besucht hätte. Das Programm, das Sie mir schicken, macht mir Lust auch so etwas einmal zu sehen. Es ist unerlaubt daß ich noch keine Revüe gesehen habe. Über das Jahr wollen wir den Zuschnitt darauf machen. Es ist doch eins der merckwürdigsten Dinge welche die Welt hat und gehabt hat.

Indessen treibe ich's in meiner Art immer fort und hoffe Ihnen in der Folge auf mehr als eine Weise Freude machen. Mit gar manchen Dingen bin ich auf dem rechten Weg und muß sie nur auf die Spitzen treiben.

Tasso scheint den Beyfall Ihrer Frau Gemahlinn [116] zu haben. Wenn ich ganz fertig wäre, wollt ich mich sehr glücklich schätzen. Von den Eroticis habe ich Wielanden wieder vorgelesen, dessen gute Art und anticker Sinn sie anzusehn mir viel Freude gemacht hat. Bald habe ich Hoffnung daß diese kleine Sammlung, sowohl an Poesie, als Versbau den Nachfolgern manches wegnehmen werde.

Die Wissenschaften gehn ihren Weg. Gelesen habe ich die Memorias de St. Simon ein sehr schätzbar Buch und Abends mache ich indeßen den Wirth Ihrer Promenaden und suche bald durch Thee, bald durch saure Milch die Gemüther der Frauen zu gewinnen, indeß die Männer von der gewaltsamen Parce an den Spieltisch gefeßelt sind. Knebel ist nach Jena und giebt der Gesellschaft dadurch Gelegenheit, kleine Lustreisen zu machen, heut ist die Imhof, Schardts und Steins zu ihm hinüber. Schiller ist nach Jena, Schütz nach Paris. Der letzte empfielt sich zu Gnaden. Er hat mir beym Abschied noch von seiner Geschichte erzählt, die recht artig und merckwürdig ist.

Von Moritz hör ich nichts. Hier schicke ich die Beschreibung des römischen Carnevals. Die Druckfehler kommen auch mit auf seine Rechnung. Einige Blätter müssen umgedruckt werden.

Leben Sie recht wohl und gedencken Sie mein. Wedel ist von Ilmenau zurück und hat gar verständige Bemerckungen von daher mitgebracht, Dieses Vikariat wird viel gutes stiften.

G.


[117] N. S.

Noch füge ich hinzu daß ich wegen Schäfers mit Ihrer Frau Gemahlinn gesprochen habe. Sie ist es wohl zufrieden, daß er von Zeit zu Zeit Riedeln ablöße, es wird diesem wohl thun und dem Kinde auch vortheilhaft seyn. Ich wünschte daß Sie ihm (Schäfern) noch 50 rh. zugeständen, damit er das Opfer seiner übrigen Stunden nicht fühle und daß man auch etwas von ihm fordern könne.

Eine meiner vorzüglichen Sorgen ist nun Herders Schicksal. Sie werden mir erlauben, daß ich einmal gelegentlich über diesen Fall und verwandte Fälle, ein Wort aus dem Herzen sage.

Es wird einem Fürsten, der so mancherley Mittel in Händen hat, leicht das Glück von manchem, besonders der Nächsten zu machen, wenn er es wie eine Baumschule behandelt, nach und nach und immer so fort wenig, aber das wenige zur rechten Zeit thut. So kann der Mensch, dem nachgeholfen wird, von sich selber wachsen. Und am Ende von allem, was unterscheidet den Mächtigen? als daß er das Schicksal der seinigen macht, es bequem, manigfaltig und im großen machen kann, anstatt daß ein Partikulier sein ganz Leben sich durchdrücken muß, um ein Paar Kinder oder Verwandte in einige Aisance zu versetzen.

[118]

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1789. An den Großherzog Carl August. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-808A-D