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An Carl Friedrich Zelter

Die Fortsetzung des, durch den Schauspieler La Roche, übersendeten Fragments liegt schon seit jener Zeit vor mir und ich konnte mich sie abzusenden nicht entschließen; es war, ich weiß nicht wie, etwas Mürrisches hineingekommen, wie man es nie in die Ferne senden soll: denn gerade zu der Zeit wo man dem Freunde nunmehr eine unangenehme Stunde macht, hat man sich schon völlig wieder hergestellt, und ist durch eine glücklich entschlossene Thätigkeit schon längst aus dem düstern Zustande herausgetreten wo uns der Ärger über gehindertes Wirken einen Augenblick überraschen konnte.

Habe also Dank für alles seit jener Zeit Überschriebene, nimm meinen, zwar etwas verspäteten Glückwunsch zu deinem Blumenfeste, so wie die Anerkennung der wohlwollenden Aufnahme, die du denen gönnst welche von uns zu euch hinüber kommen.

Nun muß ich aber auch noch aussprechen, warum ich eben gerade jetzt wieder anzuknüpfen mich entschließe. Beygehendes Gedicht, ein Landsmann des wohlaufgenommenen Wanderers, wird dir gewiß[259] Vergnügen machen; diese dir gewidmete Reinschrift war seit jener Zeit in's Verborgene gerathen, und erst heute finde ich sie an dem Orte zufällig wieder wo ich sie ganz zu Anfang hätte suchen sollen. Dieß deutet nun darauf daß ich nicht weiter säumen soll dich wieder einmal zu begrüßen.

Der Überdrang bey euch von musicalischen, prosaisch-dramatischen, literarischen, wissenschaftlichen und sonstigen Productionen, wie die Zeitung uns solche vorschieben, könnte einen Einsiedler in der Ferne beynahe irre machen und überwältigen; doch glaub' ich gern daß man, mitten in diesem Getriebe, auch wohl sich selbst eigen bleibt; wie es uns denn auch wohl gelingt an brausendem Meeresufer oder sonst gute Gedanken zu haben.

Die regierende Frau Großherzogin ist von Dornburg wieder in Weimar eingekehrt, die Frau Erbgroßherzogin ruht sich in Belvedere von allen den Festen, Freuden und sorgen aus. Der Großherzog verweilt länger als er beabsichtigte in Töplitz um Ihro Majestät Ankunst zu erwarten. Dein Freund ist aus dem Garten wieder heraufgezogen, indem er allzusehr abhängt von literarisch-artistischer Umgebung, die ihm hier oben allezeit zur Hand ist, anstatt daß er sie unten nur theilweise heranfordern kann. Es war wirklich komisch zu sehen wieviel und was alles in den vier Wochen des dortigen Aufenthalts hinabgeschleppt worden.

[260] Der größte Gewinn den ich jedoch von diesem Versuch davongetragen, ist, daß mir jener Garten, der mir fast gänzlich entfremdet war, wieder lieb ja nothwendig geworden ist. Die Vegetation daselbst wie in der Umgebung hat sich dieses Jahr vorzüglich auch an alten Bäumen bemerklich gemacht, und so erfreu ich mich des lange Versäumten und Vernachlässigten noch mehr als eines Vermißten und Ersehnten. Ich fühle mich genöthigt jeden Tag wenigstens einige Stunden daselbst zuzubringen.

Übrigens hab ich manches im Sinne und unter der Hand, was euch Freude machen sollte wenn es zu Stande käme; ich möchte euch wohl gern noch ein paarmal überraschen und in Verwunderung setzen, wozu wohl die Anlage schon da ist.

Frage doch die englischen Literatur-Freunde in deiner Nähe: ob ihnen etwas von Thomas Carlyle in Edinburg bekannt geworden, der sich auf eine merkwürdige Weise um die deutsche Literatur verdient macht.

Somit aber lebe wohl, damit Gegenwärtiges als ein Vorläufer manches andern Guten noch heute fortkomme. Gutmann und Gutweib gibst du nicht aus Händen.

eiligst wie treulichst

Weimar den 17. Juli 1827.

Goethe. [261]

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1827. An Carl Friedrich Zelter. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8091-C