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An Johann Jacob Otto August Rühlevon Lilienstern

[Concept.]

[14. August 1827.]

Wenn in so vielen Fächern, besonders im geschichtlichen, die Materialien sich anhäufen, auch dieselben [11] zu überschauen und zu ordnen sich einzelne glückliche Ansichten hervorthun, so bleibt doch beides dem Freunde des Wissens und der Wissenschaft, besonders in höheren Jahren, nicht immer zugänglich. Großer Dank gebührt daher dem Zusammenfassenden und Zurechtstellenden, und diesen habe ich gegenwärtig Ew. Hochwohlgeboren abzutragen.

Durch das mir geneigt übersendete Werk, so Text als Tafeln, gelange ich erst zur Einsicht in die Schwierigkeiten, welche mich bisher von der Theilnahme am ägyptischen Alterthum abhielten. Ich erfreue mich, nun aufmerksamer geworden zu seyn auf die für die Geschichte so nöthige Landesabtheilung, auf gleichzeitige Ereignisse so wie auf vor- und nachzeitige, auf innere schaffende und zerstörende Begebenheiten, auf Wirkungen nach außen und von außen her. Dieses alles durch einen klaren Vortrag erlangt zu haben, ist mir besonders dankenswerth, da weder Kunst noch Natur mich eine lange Reihe von Jahren her sonderlich veranlaßten, meine Aufmerksamkeit nach Ägypten zu wenden, einem allzuernsten Lande, welches die wunderlichsten Bild- und Schriftzüge für ewig zu versiegeln schienen.

Nach dem Bewußtseyn eines mühseligen Studiums werden Sie selbst am besten zu schätzen wissen, welche Erleichterung wir Ihnen schuldig geworden; sie wird um so bedeutender, als die Fortwirkung von dorther und dahin uns immer einzeln wieder einmal in der [12] Weltgeschichte beunruhigte und die Kenntniß des Zusammenhangs wünschenswerth machte dessen, was wir nur gelegentlich erfuhren.

Ich müßte mich weiter als billig ausbreiten, wenn ich fortfahren wollte, im Besondern anzuerkennen, wie sehr ich Ihrer Arbeit im Allgemeinen Kenntniß und Übersicht schuldig geworden. Sie haben, ich darf es wohl gestehen, meine Abneigung gegen jenes wüste Todtenreich wo nicht besiegt, doch gemildert; ich mag an Ihrer Hand gern durch jene gränzenlose Trümmer gehn, welche wieder herzustellen die mächtigst wirkende Einbildungskraft zu schwach seyn möchte. Ich erfreue mich, daß Sie meiner sich wieder erinnern und sich überzeugen wollen, daß ich auch an diese Fortschritten unsrer Zeit den freudigsten Antheil nehme.

d. 12. Aug. 1827.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1827. An Johann Jacob Otto August Rühlevon Lilienstern. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8096-2