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An Carl Friedrich Zelter

Fräulein Ulrike ist glücklich zurückgekommen, hat gut gesehen und erzählt gar wacker. Dabey fällt mir aber auf, daß es eine sehr gewöhnliche prosaische Sache sey, in Berlin anzukommen, überall herumzugehen und manches Interessante zu besuchen; im Theater sich das Wunderlichste vorgaukeln zu lassen und in der Singakademie die höchste gründlichste Freude zu genießen. Indessen erscheint mir das alles als ein Mährchen. Erhalte mir durch Freundes Antheil das Gefühl vom Wahrsten.

Das Liederheftchen ist höchst merkwürdig und an deinem Urtheil wäre nicht zu mäkeln; ich finde es ganz gemäß, ich denke, die Freunde werden es auch so finden. Die Einleitung war mir lieb und werth, wer mag sich nicht gern in einem wohlwollenden Spiegel beschauen? Nenne mir den Verfasser und danke schönstens.

Was mein Verhältniß zum deutschen Theater betrifft wollt ich wohl zum nächsten Montag, vor oder nach dem 28., als Confession stiften, wenn jener Freund von seiner Seite die Forderungen, die man an mich hätte machen können, aufstellte, wir tauschten die Aufsätze alsdann aus und es würde hübsche Aufklärungen geben.

Grillparzer ist ein angenehmer wohlgefälliger[192] Mann; ein angebornes poetisches Talent darf man ihm wohl zuschreiben, wohin es langt und wie es ausreicht, will ich nicht sagen. Daß er in unserem freyen Leben etwas gedrückt erschien, ist natürlich.

Der Bezug von Madame Schröder zur Medea hat mir eingeleuchtet. Für den freundlichen Brief der Madame Milder danke zum schönsten. Wenn Herr Geheime Rath Beuth mir die gefällig zugesagten Basreliefe sendet, werd ich solche höchst dankbar annehmen. Um sichersten geschieht es durch den Fuhrmann, wohlgepackt, vielleicht auch durch die fahrende Post, auf jede Weise unfrankirt. Und also auch eine großväterliche Collegenschaft! welche zu Heil und Frommen gereichen möge!

Versäume ja nicht zu der übersendeten Tabelle schriftlich zu weissagen. Du siehst ihr den Ernst an, wie ich dieses ungeheure Reich wenigstens für die Kenntniß zu umgränzen gesucht habe. Jedes Capitel, jeder Paragraph deutet auf etwas Prägnantes; die Methode des Aufstellens kann man gelten lassen, sie war von mir gewählt, weil ich sie der Form nach meiner Farbenlehre anzuähnlichen gedachte. Noch manches Andere hatte ich vor, das aber bey dem velociferischen Leben seitwärts zurückblieb.

Man sollte sich bey Zeiten sagen, daß alles zu vermeiden räthlich ist, was man sich nicht im Genuß aneignen oder productiv, sich selbst und andern zur Freude, bethätigen kann.

[193] Nun aber geben mir solche im Vorbeyeilen flüchtig angelegte Versuche mehr als billig Mühe, jetzt da ich zu meiner neuen Ausgabe gern manche Einzelheiten und Entwürfe, die nicht unwerth sind, möchte zurecht stellen und einrücken; es ist schwer ein früher Gedachtes dem Ausdruck nach gelten zu lassen, man möcht es immer gleich umsprechen und umschreiben, das geht auch wieder nicht. Dir ist gewiß der Fall bey wiederaufgenommenen früheren Compositionen vorgekommen.

Nun aber will ich noch in Eile dich freundlich ersucht haben, dem trefflichen thätigen Felix schönstens zu danken für das herrliche Exemplar ernster ästhetischer Studien; seine Arbeit, so wie die seines Meisters, soll den Weimarischen Kunstfreunden in den nächst zu erwartenden langen Winterabenden eine belehrende Unterhaltung seyn.

Auch haben eben diese Freunde die Festlieder näher betrachtet, und da bleibt denn dein Ausspruch völlig unangefochten; auch wollen sie versuchen den übrigen Ungenannten etwas Charakter- und Verdienstgemäßes auszusprechen.

Und so den allerschönsten Dank für das durch Schiller gesendete Lied. Ich hoffe, daß nach und nach durch solche Beyhülfe meine Umgebung wieder tonselig werden wird.

Durch unsere Zurückkommenden hab ich von dir, deinem neuen Wohn- und Ganghause das Nähere [194] vernommen; ich wiederhole, daß mich Herr Geheime Rath Beuth durch einige Gypssendung sehr glücklich machen wird, und ich zehre gar lange an etwas der Art.

Von neuen Restaurations- und Wiederbelebungs-Versuchen in diesem Fache nächstens. So auch Euripidisches.

Gott erhalt uns im Alten und beym Alten!

Weimar den 11. October 1826.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1826. An Carl Friedrich Zelter. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-809A-9