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An Amalie von Levetzow

Indem ich von Eger abzugehen mich bereitete lege ich ein Blat vor mich hin, greife nach der Feder und finde sogleich wie viel zu sagen, wie wenig auszusprechen ist. Dencken Sie Sich, liebe, theure Freundinn, [212] die vergangnen mehreren Wochen, besonders aber die letzteren, so werden Sie jeden Tag von meiner Danckbarkeit durchwoben finden die ich jetzt einzeln weder ausdrößeln möchte noch könnte; ich schiebe daher alles Ihrem lieben Gemüthe zu das wird an meiner Stelle das Beste thun.

Und wenn ich mich nun zu der Tochter wende so geht es mir eben so; doch da sie selbst mit Worten nicht freygebig seyn mag so verzeiht sie mir wohl wenn ich diesmal auch zurückhalte. Doch wenn mein Liebling (wofür zu gelten sie nun einmal nicht ablehnen kann) sich manchmal wiederholen will was sie auswendig weis, das heist das Innerste meiner Gesinnung, so wird sie sich alles besser sagen als ich in meinem jetztigen Zustand vermöchte. Dabey, hoff ich, wird sie nicht abläugnen daß es eine hübsche Sache sey geliebt zu werden, wenn auch der Freund manchmal unbequem fallen möchte.

Alle Leute berufen mich über meine Gesunde Heiterkeit, ich dancke jedermann zum allerschönsten; denn ich hör es gern, da es mich an alle die Heilmittel erinnert durch die sie mir geworden ist. Sollte sie sich aufrecht erhalten, so bringe ich sie zur Quelle zurück, sollte sie sich verlieren, so weis ich wo ich sie wieder finden könnte.

Amelien sagen Sie das freundlichste für den letzten Abend; ich habe nie gezweifelt daß sie sey wie sie sich da gezeigt hat. Sagen Sie ihr ferner daß wenn sie[213] (ohne im mindesten sich zu geniren) nur das Übermaaß vermeiden mag, alsdann nicht leicht ein junges Frauenzimmer sich selbst, den Ihrigen, den Freunden, so wie der Gesellschaft erwünschter und angenehmer seyn könnte.

Bertha, der holde Herankömmling, hat so schöne tiefe Töne in ihrem Organ; möge sie beym Vorlesen an mich dencken und den Perioden, wo es sich schickt tief anfangen, um hernach den Ausdruck in die Höhe steigern zu können.

Verzeihung! daß ich aus der Ferne den Schulmeister mache; wie gern geschäh es in der Nähe! Denn wenn ich natürliche Vorzüge glücklich eingeleitete Bildung bemerke, so kann ich mich nicht enthalten mit wenigen Worten auf die nächsten Hindernisse hinzudeuten von denen man sich oft länger als billig aufhalten läßt.

Dem Grafen Taufkirchen gönn ich alles Gute, besonders die vollständigste Chatulle von ganzem Herzen; aber verzeihen kann ich ihm nicht daß er uns, obgleich mit interessanten Geschichten, um eine Abend-Vorlesung gebracht hat, worauf ich mich, vielleicht mit noch jemand, besonders gefreut hatte. Möge bey solchen Übungen Ulricke meiner freundlich gedencken, sich an das Wenige was ich bemerckt habe mit Neigung erinnern, so wird in kurzer Zeit der Bedeutsamkeit ihres Vortrags, dem ihre natürliche Anmuth soviel gefälliges giebt, gewiß nichts abgehen.

[214] Und so wär ich denn doch wieder in dem lieben Kreise aus dem ich mich herauszuwinden trachtete, wieder am runden Tisch, zwischen Mutter und Tochter, den Schwestern gegenüber, in häuslicher Vertraulichkeit.

Nun aber mahnt mich der Raum abzuschließen. Ein neues Blat darf ich nicht nehmen, sonst ging es in's Unendliche fort. Dancken aber muß ich noch bündig und herzlich für die Blicke die Sie mich in Ihr früheres Leben thun liesen, ich fühle mich dadurch näher verwandt und verbunden. Auch der Tochter möcht ich noch sagen: daß ich sie immer lieber gewonnen, je mehr ich sie kennen gelernt; daß ich sie aber kenne und weis was ihr gefällt und misfällt, wünscht ich ihr persönlich zu beweisen, in Hoffnung glücklichen Gelingens. So am Ende wie am Anfang

treu anhänglich

Eger d. 9. Sept. 1823.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1823. An Amalie von Levetzow. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-80AD-0