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An Christian Gottlob Voigt

Ew. Excellenz

früher für die letzten freundlichen Zuschriften zu danken, bin ich abgehalten worden durch den Zuspruch meiner alten Übel, die mir meine diesjährige Versäumniß des Carlsbades schon vor Winters empfindlich machen wollen. Ich habe bey dieser Gelegenheit die Nähe unsres Starke gesegnet, der mir geschwinder über die schlimmen Augenblicke hinausgeholfen hat; aber das Böse bleibt immer dabey, daß viele Tage dazu gehören, wenn die gewaltsame Wirkung weniger schmerzlicher Augenblicke wieder ins Gleichgewicht soll gebracht werden.

Das unternommene Geschäft ist indessen zu Stande gekommen und es wird sich Ihnen ein wunderliches Gebilde in 14 Tagen bis 3 Wochen präsentiren, dem ich eine freundliche Aufnahme wünsche. Selten wird in der Welt etwas genommen, wie es gegeben wird: es müßte denn das tägliche Brod vom Bäckerladen [83] seyn. Bey dieser meiner neuen Arbeit wünschte ich, daß Sie sich mancher schöner Momente unseres für mich einzig frohen Zusammenwirkens erinnerten.

Die letzten antianarchischen Operationen in Jena haben wenigstens den Effect einer großen äußeren Stille hervorgebracht. Mit einiger Consequenz wäre dieser Schein für alle Zeiten zur Wirklichkeit umzuwandeln. Vielleicht macht sich auch das noch, wie manches andre, an dem ich seit vielen Jahren hoffend zweifelte.

Die Göttlingische Stelle wird, wie wir schon sahen, und noch mehr erfahren werden, von vielen ambirt und gewiß noch von mehreren. Unser Spiel dabey ist, ruhig zu seyn und die Anträge abzuwarten. Ich lege einige Blättchen bey, und wir werden bald ein alphabetisches Verzeichniß der Competenten aus den Acten ausziehen können, die Ew. Excellenz über diese Sache führen werden. Wir können Kästner in Heidelberg auch ganz getrost darunter schreiben.

Trommsdorf mit seinem Verdienst, Namen, Institut, und was alles daran hängt, nach Jena zu ziehen, wäre nach meiner Ansicht ebenfalls das wünschenswertheste. Wie wir aber zu wünschen scheinen und auch nur einen Schritt thun; so wird weder erfüllen mögen noch können. Ich habe mich deswegen in der Positur gehalten, als wenn das recht schön sey, ohne weiter ein großes Gewicht darauf zu [84] legen. Mein Rath wäre, noch wenigstens 14 Tage bis 3 Wochen Briefe, Anträge und manche sich neu hervorthuende abzuwarten und dann Trommsdorfen einige Jalousie zu geben, als ob man sich auf diese oder jene Seite neige, damit er selbst mit Anträgen hervorträte: denn ich gestehe gern, was bis jetzt verlautet, ist immer noch so, daß wir in der Desavantage wären, wenn wir schienen zuzugreifen. Verzeihen Sie, wenn ich gar zu klug scheinen will.

Mein August, wie ich höre, ist zu Hause angelangt, von Würzburg aus zu Fuße mit einem Jagdtäschchen. Das ist denn für diese Jugend ganz artig. Indessen kommen seine Kleider erst nach und er wird, sobald er sich produciren kann, aufwarten. Möchten Sie ihm einige Augenblicke der Prüfung gönnen.

Es ist eine eigene Sache, wenn der Sohn ein Metier ergreift, das eigentlich das Metier des Vaters nicht ist. Doch mag es auch sein Gutes haben; wenn einerseits eine Trennung zu entstehen scheint, so entsteht von der andern eine Vereinigung, weil denn doch zuletzt alles Vernünftige und Verständige zusammentreffen muß.

So habe ich diese Tage eine recht angenehme Unterhaltung mit Schömann gehabt und ich bin sehr verlangend, ihn öfter und näher zu sehen; denn im Grunde bin ich von Jugend her der Rechtsgelahrtheit näher verwandt als der Farbenlehre, und wenn man es genau besieht, so ist es ganz einerley, an welchen [85] Gegenständen man seine Thätigkeit üben, an welchen man seinen Scharfsinn versuchen mag. Ich schließe mit dem Blatt. Mich bestens empfehlen und das Beste wünschend

Jena den 26. Sept. 1809.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1809. An Christian Gottlob Voigt. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-80B4-D