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An Charlotte von Stein

d. 1. Oktbr. früh gegen Viere.

Ein Feuerlärm hat mich aufgeweckt und ich will mich nicht niederlegen ohne meiner Geliebtesten guten Morgen gesagt zu haben. Das Feuer war auf dem Schweinsmarckte das Eckhaus des Schmids wenn man nach dem äussern Erfurter Thore hingeht. Die Flamme war starck zwischen zwey Häusern, die Gänge, Schindelställe und Dächer brannten licht auf. Es wehte kein Lüfftgen und wie einmal die Sprützen da waren brannte nichts weiter. Unsre Anstalten haben sich gut bewiesen, und die Maschinen fürtrefflich. Es ist mir lieb daß ich da war um der Erfahrung an der Sache und an mir selbst willen und seh es als eine Schickung an denn ich bin sehr wieder meinen Willen für diesmal hier, wie ich dir weiter erzählen will.

Denn ich bin gestern in einer Art Verzweiflung von Jena herübergefahren.

Ich hatte die Fürstinn Gallizin mit den ihrigen dort aufgesucht und wollte sie nicht reisen lassen ohne ihnen alle Achtung zu bezeigen die man ihnen schuldig ist denn es sind würcklich vorzügliche Menschen. Die ersten Tage wollte es durch seltsame Schickungen nicht gehn, nach und nach gab sich's und da ich ihnen nach Jena folgte ward alles zuletzt recht gut und gewann ein menschliches Ende.

[103] Von da nahm ich mir vor zu dir zu reiten und konnte kein Pferd finden. Alles war auf den Buttstädter Jahrmarckt. Endlich wollte ich gar zu Fuse fort, aber es fing an zu regnen, und der Wind war starck und kalt, ich musste also hierher, wo ich nun zum erstenmal zur seltsamen Stunde, an meinem Camin sitzend dir dieses schreibe.

Gute Nacht oder vielmehr guten Morgen. Schlafe ruhig und träume von mir.

Mögte doch das Gefühl wie nötig du mir bist recht lebendig in dir werden und dich bald zu mir führen. Adieu.


d. 1sten um 10 Uhr.

Mein Tag hat spät angefangen, ich schliese um zu hören ob die Botenfrau da ist.

Hier ein Brief von Fritz. Blanchard ist vergangnen Sonntag nicht gestiegen, also wird Fritz auch noch nicht kommen. Adieu liebe mich wie ich dein bin.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1785. An Charlotte von Stein. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-80BC-E