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An Sulpiz Boisserée

Vorerst also muß ich in Erwiderung Ihres lieben Schreibens vermelden, daß I. M. die Kaiserin Mutter Ihrer Sammlung mit vielem Antheil gedacht, sodann aber meinen Glückwunsch hinzufügen, daß Sie die bisherige Lage, die denn doch zuletzt peinlich werden mußte, verändern, wodurch denn doch eine Bewegung in Ihr Schicksal kommt und Ihnen vorerst eine freiere Ausstellung Ihrer Schätze gewährt ist. Möcht ich Sie in Ihrer neuen Lage doch dieses Jahr begrüßt können.

Von meinen Zuständen läßt sich nur so viel sagen, daß ich anhaltend thätig und fleißig war, wozu mir der Gebrauch des Carlsbader Brunnens erwünschte Leichtigkeit verlieh. Ich habe diesen Winter noch keine Unterbrechung erlitten. Innerhalb der nächsten vier Monate sehen Sie allerley von mir: ein Heft Kunst [60] und Alterthum, den Divan, die prosaischen Nachträge dazu und die Gedichte, die ich zum Festzug bei Gegenwart J. M. der Kaiserin auf meiner Einsiedeley zu Berka schrieb. Möge das alles zu guter Stunde Ihnen zukommen.

Vermehrt habe ich meine Natur- und Kunstschätze zwar nicht so reichlich wie Sie die Ihrigen, doch aber genug zu Belehrung und Unterhaltung, welche in den langen Winterabenden höchst nothwendig war. Vorzügliche Männer haben sich auch wieder in unsere Kreise gefunden, und stirbt denn doch das alte Weimar nicht aus. Meyer freilich ist der treuste Lehr- und Lebensgenosse und so sehen wir noch einmal zusammen den Tag sich Morgens und Abends erweitern.

Vorstehendes hielt ich zurück um vielleicht noch irgend etwas Erfreuliches beizulegen; nun kommt die Nachricht von dem Tode der Königin von Würtemberg, die arge Verwirrung verursacht. Daß ich im ersten Schreck Ihrer gleich gedacht war das Natürlichste, und obgleich nicht zu fürchten ist, daß dieß an Ihrem Verhältniß etwas verändere, so ist es doch höchst unangenehm in einen neuen Zustand einzutreten, der vor kurzem einen solchen Stoß erlitten hat. Sagen Sie mir baldmöglichst hierüber ein tröstliches Wort.

Mögen meine besten Wünsche fruchtbar sein!

Weimar den 14. Januar 1819.

G. [61]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1819. An Sulpiz Boisserée. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-80D5-5