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An Caroline von Humboldt

[Concept.]

[25. Januar.]

In wie mancher Stunde habe ich nicht, mit wahrer und lebhafter Theilnahme, an Sie gedacht und mich fast eben so über den frevelhaften Vorsatz verwundert den man aussprechen kann, sich, in so großer [30] Entfernung, monatlich zu schreiben. Die Entfernung schließt das Nahe eben aus; wie kann man sich das täglich erfreuende und bedrängende mittheilen, wenn die Stimme so langsam herüber und hinüberklingt, und dann treten die unerwarteten Vorfälle eben ein, die auf einmal uns außer Geschick setzen, und indem man fortfahren will, weiß man nicht wo man anfangen soll.

Dießmal gedenk ich in Erinnerung an so manches Vergangene, in Absicht auf manches Künftige, Ihnen einen langen Brief zu schreiben, damit der Faden wieder so fortfließe.

Sie haben indessen einen großen Verlust erlitten von dem ich schweige. Möge alles, was die Natur dem Menschen von Linderungsmitteln solcher Schmerzen zugedacht hat, Ihnen geworden seyn und werden; denn sie kann allein das Übel das sie zufügt, wieder ersetzen. Indessen ist Fernow bey uns angekommen, er hält sich wacker und gut; aber ein unglückliches Fieber macht ihm viel zu schaffen. Das ihm ernst ist um das was er treibt und er von Hause eine redliche Natur ist; so haben wir gute, nützliche und angenehme Zeit zusammen.

Riemer ist bey meinem August und ich hoffe, sie sollen sich recht wohl zusammen befinden.

Schiller geht, nach seiner Art, mit großen Schritten immer vorwärts, sein Tell ist fürtrefflich angelegt und was ich davon gesehen habe, meisterhaft ausgeführt.

[31] Mich selbst hat er in die Jenaischen Herren, besonders aber in die Unternehmer der ALZ. gefahrene Schwindelgeist in die traurige Nothwendigkeit versetzt, für diesen antiken Stadt und Lehrkörper wieder einmal persönlich zu wirken und vorzüglich eine dito ALZ. in Jena zu conserviren, zu instauriren, zu restauriren, womit ich denn beynahe vier Monate für mich verlohren habe; nicht eben daß ich viel that, aber weil doch alles gethan sein will und alles was man thun muß Zeit wegnimmt, und darum könnte ich aus dem letzten Vierteljahr auch nicht einmal mit einem Liedchen dienen.

Indessen hat das Leben manches Interessante gebracht. Prof. Wolf von Halle ist vierzehn Tage bey uns gewesen, jetzt ist Johannes von Müller hier, und Fr. v. Stael beehrt uns auch schon vier Wochen mit ihrer Gegenwart.

Die von Fernow mitgebrachten Zeichnungen des verstorbenen Carstens haben mir viel Vergnügen gemacht, weil ich dadurch erst dieses seltne, freylich, in früherer Zeit durch Umstände zurückgehaltne und dann zuletzt auch noch unreif weggemähte Talente haben kennen lernen.

Ein Paar große Bilder von Hackert sind hierher gekommen, die als praktische Nachbildung des Wirklichen vielleicht nichts vollkommneres denken lassen.

Was meine Studien und Liebhabereyen betrifft, so weiß ich nicht ob ich Ihnen etwas von meiner [32] modernen Medaillensammlung in Erz und Kupfer gesagt habe, die von der zweyten Hälfte des funfzehnten Jahrhunderts anhebt und sich bis auf die neusten Zeiten erstreckt.

Ich bin bey meiner Bearbeitung Cellinis darauf gekommen; denn da man sich im Norden mit Brosamen genügen muß, so schien es mir nur möglich durch Originalmedaillon aus verschiedenen Jahrhunderten, die doch immer, wie bekannt, zur Bildhauerkunst ihrer Zeit anzunähern wußten, irgend etwas anschauliches über die bildende Kunst zu erhalten, und es ist mir schon sehr, durch Bemühung, Gunst und Glück, gelungen, etwas Bedeutendes zusammen zu bringen. Erlauben Sie daß ich ein Paar Aufträge und Wünsch beylege.

1. Wegen ein Paar alten Medaillen, welche Mercandetti besitzen soll.

2. Wegen Päpstlicher Medaillon von Innocenz XIII. an incl; die Hameranische von Clemens XI. habe ich sehr schön.

3. Wegen einer bey Mercandetti zu bestellenden Medaille, welches letztere ich besonders sowohl Ihnen als Humboldt recht ans Herz lege; weil die Entreprise allerdings ernsthaft ist. Wobey am Ende wohl einige Zufriedenheit zu gewinnen, sollte sie aber verunglückt, Geld zu verlieren und Verdruß einzuerndten ist.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1804. An Caroline von Humboldt. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-80F0-7